Fortunas Odyssee (German Edition)
leider…«
Die alte Frau warf einen wütenden Blick auf Esperanza und kam plötzlich auf die Idee, mit Rufino zu sprechen. Sie ging langsam, gestützt auf ihren Stock, auf den Zaun zu, der die Weide abgrenzte. Er war gerade dabei, ein Pferd zu einem Bereich zu treiben, in dem das Gras noch hoch stand. Das Tier begann zu grasen, während der Vorarbeiter die Peitsche in der Luft kreisen ließ. Als er sie bemerkte, kam er auf sie zu.
»Ich möchte, dass Sie diese Fremde, die mein Sohn hier aufgenommen hat, im Auge behalten, denn sie führt sich auf, als würde ihr die Fazenda gehören.« Sie atmete tief durch und fuhr fort. »Sie provoziert Rebellion und Faulheit unter den Angestellten.«
Er lachte zynisch und schaute sich um.
»Ich weiß. Es dauert nicht mehr lange, bis sie meinem Chef sagt, was er zu tun hat.«
Dona Ágata nickte mit dem Kopf und zwinkerte ihm zu. Dann deutete sie mit zwei Fingern auf ihre Augen.
»Halten Sie die Augen offen!«, befahl sie.
Der Vorarbeiter legte seine Hand auf ihre und schlug in aller Seelenruhe vor:
»Wenn Sie wollen, beseitige ich sie.«
Die Alte entzog ihre Hand und zwang sich zu einem Lächeln.
»Aber alles hat seinen Preis«, fuhr er fort. »Ich werde nicht kostenlos meine Hände mit dem Blut einer Weißen besudeln.«
Sie dachte einige Sekunden nach und schlug ihm dann vor:
»Kommen Sie heute Abend zu meinem Zimmer, um die Einzelheiten zu besprechen.«
Kaluga war bei den Kindern ebenso beliebt wie Mama. Einmal brachte er eine Gruppe von Kindern zum Spielen an den Fluss, wo Mama gerade Wäsche wusch. Sie sang ein bekanntes Lied, während sie die abgenutzten Kleidungsstücke einseifte und auswrang. Mit ihren ins Gesicht gefallenen Haaren sah sie aus wie ein Mädchen.
Ihr Kleid hatte sie bis zu den Oberschenkeln hochgeschlagen, weil sie zum Waschen in den Fluss steigen musste. Kaluga blieb stehen und beobachtete sie einige Minuten lang. Er versuchte seinen Blick abzuwenden und zurückzulaufen, aber es gelang ihm nicht. Sie bekam einen Schreck, als die Kinder neben ihr ins Wasser sprangen, und bemerkte erst jetzt seine Anwesenheit.
Er winkte ihr zu und brachte die Kinder wieder zurück zu ihren Eltern.
Mama erlitt immer wieder Rückfälle der Trauer, wenn sie an Papa, Fred und Tereza dachte. Sie wälzte sich fast die ganze Nacht schlaflos in ihrem Bett, während Tim wie ein Engel schlief und im Gegensatz zu ihr vermied, an vergangene Geschehnisse zu denken. Er konzentrierte sich auf die Prüfungen des zu Ende gehenden Schuljahres.
Ich suchte Tereza auf und sah, wie sie sich um die Kinder ihrer neuen Chefin kümmerte und ihnen dieselben Lieder vorsang, mit denen sie uns beruhigt hatte. Obwohl sie von ihren neuen Arbeitgebern anständig behandelt wurde, saß sie manchmal weinend auf der Kloschüssel oder ging in eine Kapelle, wo sie sich vor der Jungfrau Maria hinkniete und Schutz für meine Familie erbat. Ich legte meine Hand auf ihre Schulter und war ihr für diese Liebesbezeugung dankbar.
Als ich Fred besuchte, freute ich mich, denn er hatte sich zu einem gutaussehenden Jugendlichen entwickelt. Er nahm die Schule ernst und wurde von seinen Pflegeeltern geliebt. Die Dinge liefen also bestens, und trotzdem überkam ihn manchmal der Gedanke, alles aufzugeben und nach Madrigal zurückzukehren. Er dachte jeden Tag an Mama und Tim, und wenn er sie besonders vermisste, zog er sich von seinen neuen Freunden zurück.
Rufino trat in das Zimmer von Dona Ágata und nahm seinen Hut ab, während sie die Tür verschloss. Als sie die Kommode öffnete, bemerkte sie, wie nah er bei ihr stand. Sie war irritiert und gab ihm mit einer schroffen Handbewegung zu verstehen, dass er einen gebührenden Abstand einhalten solle, denn sie wollte die Menge ihrer Schmuckstücke und anderer Wertgegenstände vor ihm verbergen.
Er machte eine vage Bewegung mit den Händen, um sich zu entschuldigen und ging, ohne sich umzudrehen, einige Schritte zurück.
Sie zog einen Armreif aus der Schublade und hielt ihn vor. Er wies ihn zurück.
Danach präsentierte sie einen Kerzenständer aus Silber und Bronze. Er lehnte abermals ab. Sie schloss die Kommode ab und ging langsam auf ihn zu.
»Was ich Ihnen angeboten habe, würde ausreichen, um Napoleon eine Schlacht verlieren zu lassen.«
Er setzte sich den Hut auf und sagte, bevor er die Tür öffnete:
»Aber für mich ist es zu wenig, um eine zu gewinnen.«
Am nächsten Tag fragte er Genésio, ob es üblich sei, dass Kaluga sich allein in Dona Ágatas
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