Fortunas Odyssee (German Edition)
umarmte sie kräftig und sah zu, wie sie mit gesenktem Kopf in ihr Haus ging.
Genésio kam vor Rufino an und klatschte in die Hände. Diesmal wurde er eingeladen, einzutreten. Er schaute sich jeden Winkel des Hauses an, als sei er daran interessiert, es zu kaufen.
Glücklicherweise kam Rufino kurz darauf an.
»Fahr am Nachmittag zurück und hol’ den Jungen von der Schule ab«, ordnete der Patron an.
Der Vorarbeiter verbarg nicht sein Erstaunen über diesen Befehl. Er wusste nur zu gut, dass dieser Mann nichts tat, was nicht seinem eigenen Interesse diente.
Alles lief so, wie sie es geplant hatte. Folgende Routine spielte sich ein: Tim fuhr morgens mit Rufino zur Schule und kam mit irgendeiner der Kutschen zurück, die die Straße entlang fuhren. Viele Landwirte transportierten morgens ihre Produkte zum Markt in der Stadt und fuhren nachmittags wieder zurück, was sich gut mit dem Schulschluss traf. Außerdem gab es immer irgendetwas in Madrigal zu erledigen, und so hatte Tim stets eine Mitfahrgelegenheit.
Tim und Kaluga verstanden sich gut und jeder lernte vom anderen. Aber es war schwierig für Tim, sich daran zu gewöhnen, ein Bad im Fluss zu nehmen und dabei eine stark riechende Seife zu benutzen, die die Sklaven selbst herstellten. Es gab weder Duschen noch warmes Wasser.
Er spielte viel mit den anderen Kindern, worüber Mama sich freute. Sie zeigten ihm, wie man einen Bambusspieß fischen konnte, und er brachte einigen sogar Lesen und Schreiben bei.
Das Jahr ging zu Ende, und die nächsten sollten viele Überraschungen bringen. Schade nur, dass wir nicht darauf vorbereitet waren.
Eine Lektion: Wenn die Liebe kommt, lass dich darauf ein, ohne um Erlaubnis zu fragen. Wenn wir es entdecken, ist es schon zu spät.
Kapitel 5
Mama wurde von den Angestellten wie ein Schutzengel angesehen. Alle wollten ihre Meinung wissen, sei es über einen Haarschnitt oder über ein kunsthandwerkliches Produkt. Sie freute sich, dass sie den Leuten helfen konnte, aber am meisten wünschte sie sich, den Ungerechtigkeiten, die Rufino an diesen Menschen verübte, ein Ende zu setzen.
Es gelang ihr, ein engeres Verhältnis zu den jungen Frauen aufzubauen, und sie entdeckte dabei, dass einige von ihnen ihm sexuelle Befriedigung verschafften, um Vorrechte zu erhalten, wie, zum Beispiel, bei starker Hitze nicht in der Kaffeeplantage arbeiten zu müssen, im Krankheitsfall eines Angehörigen zu Hause bleiben zu dürfen oder um sich schlicht vor der gnadenlosen Auspeitschung am Pfahl zu retten. Der Pfahl war ein hinter dem Haus bis zur Hälfte eingegrabener Baumstamm. An dem Teil, der aus der Erde ragte, waren oben und unten Eisenringe befestigt, an denen der Sklave angekettet wurde, um der Bestrafung nicht entkommen zu können. Die Peitschenhiebe wurden in aller Öffentlichkeit ausgeteilt. Um zu verhindern, dass der Sklave Selbstmord beging, indem er Erde aß, wurde er geknebelt. Es war ein schockierendes Schauspiel. Ich gebe zu, dass ich nie an diesem Ort bleiben konnte, wenn es wieder einmal geschah.
Einmal wurde ein Mann bestraft, weil er länger als einen Tag in der Stadt geblieben war. Rufino wollte keine Erklärungen hören und fesselte ihn zwei Tage lang an den Pfahl. Der wilde Hund war für das Auspeitschen zuständig. Mama sah die traurige Szene und weinte an Kalugas Schulter. Er versuchte, sie zu trösten und erklärte ihr, dass dieser Sklave es gewohnt war, verprügelt zu werden, und dass er es mit Sicherheit überleben würde. Und so war es auch.
Einige Tage später erhielt sie Briefe von Fred und Terezas Vetter, die ihr mitteilten, das es ihnen gut ging, aber das verstärkte nur noch ihre Sehnsucht nach den beiden.
Wer an Mamas Erfolg keinen Gefallen finden konnte, war Dona Ágata, die sich bei Esperanza beschwerte, dass die Angestellten sich seit ihrer Ankunft immer dreister und ungezogener benehmen würden.
Irgendwann saßen der Hexer und ich auf der Veranda, als die alte Schreckschraube ankam und sah, wie Mama unter einem Baum saß und den Kindern Geschichten erzählte.
Sie rief Esperanza zu sich, deutete auf die Szene und meckerte:
»Jetzt sitzt sie faul im Schatten herum! Sie führt sich auf, als würde ihr die Fazenda gehören.«
Die Magd sah sie von der Seite an und wagte, zu antworten.
»Die Kinder sind von Weißen nie so gut behandelt worden wie von Dona Tyanna. Sie will die Kinder nur glücklich machen, sonst nichts. Dona Cecília würde bestimmt dasselbe tun, wenn sie mal wieder kommen würde, aber
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