Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
Sprache und konnte sie gerade noch auffangen, als sie auf dem rutschigen Boden ausglitt. Ihre Erscheinung verblüffte ihn: Eliza in ihrem mädchenhaften Kleid und mit dem Fächer in der Hand war hier völlig fehl am Platze. Sie sah ihn an und erkannte sofort den chinesischen Koch, den am Tag zuvor ihr Onkel ihnen vorgestellt hatte.
    »Tao Chi’en?« fragte sie, dankbar für ihr gutes Gedächtnis.
    Der Mann begrüßte sie, indem er die Hände vor dem Gesicht zusammenlegte und sich mehrmals verneigte, während in der Kneipe das Gepfeife weiterging. Zwei Matrosen standen auf und näherten sich schwankend. Tao Chi’en wies auf die Tür, und Eliza und er gingen hinaus.
    »Miss Sommers?« fragte er draußen.
    Eliza bejahte, aber weiter kam sie nicht, weil sie von den beiden Matrosen unterbrochen wurde, die jetzt in der Tür auftauchten, ganz augenscheinlich betrunken und auf Streit aus.
    »Wie kannst du dich unterstehen, diese schnuckelige Señorita zu belästigen, Scheißchinese?« fragte der eine drohend.
    Tao Chi’en beugte den Kopf, wandte sich um und schien gehen zu wollen, aber einer der beiden fing ihn beim Zopf und zerrte daran, während der andere schmierige Komplimente brabbelte und Eliza dabei seinen ekligen Bieratem ins Gesicht blies. Der Chinese drehte sich mit katzenhafter Schnelligkeit zu dem Angreifer um. Er hielt ein enormes Messer in der Hand, und die Klinge funkelte wie ein Spiegel in der Nachmittagssonne.
    Mama Fresia stieß einen Schrei aus, und ohne weiter nachzudenken, verpaßte sie dem Matrosen, der ihr am nächsten stand, einen Hieb so wuchtig wie ein Pferdetritt, griff Eliza beim Arm und setzte sich in Trab die Straße hinunter, und das mit einer Behendigkeit, wie man sie bei jemandem von ihrem Gewicht nie vermutet hätte. Sie rannten mehrere Häuserblocks weit, bis sie das Rotlichtviertel hinter sich hatten und auf dem kleinen San- Agustín-Platz ankamen, wo Mama Fresia zitternd auf die erste erreichbare Bank sank.
    »O Kind! Wenn das die Herrschaften erfahren, bringen sie mich um! Komm, wir gehen jetzt sofort nach Haus«
    »Ich habe noch nicht getan, was ich tun wollte, Mamita. Ich muß wieder zurück in diese Kneipe.«
    Mama Fresia kreuzte die Arme vor der Brust und weigerte sich mit eiserner Stirn, sich von hier fortzurühren, während Eliza mit großen Schritten auf und ab marschierte und sich bemühte, in ihrer Verwirrung einen Plan zu fassen. Sie hatte nicht mehr viel Zeit. Miss Roses Anweisungen waren ganz klar gewesen: Punkt sechs würde die Kutsche sie vor der Tanzschule aufnehmen und nach Hause bringen. Sie mußte sofort handeln, entschied sie, eine andere Gelegenheit würde sich nicht bieten. Und da erblickte sie den Chinesen, der mit seinem schaukelnden Schritt und dem unerschütterlichen Lächeln gelassen auf sie zukam. Er wiederholte die schon vertrauten Verneigungen zur Begrüßung und wandte sich dann an Eliza, um sie in gutem Englisch zu fragen, ob die ehrenwerte Tochter des Kapitäns John Sommers Hilfe brauche. Sie erklärte, daß sie nicht seine Tochter, sondern seine Nichte sei, und in plötzlich gefaßtem Vertrauen - und auch aus Verzweiflung - gestand sie ihm, daß sie tatsächlich seine Hilfe brauche, aber es sei eine sehr persönliche Angelegenheit.
    »Etwas, was der Kapitän nicht wissen darf?«
    »Niemand darf es wissen.«
    Tao Chi’en bat um Verzeihung. Der Kapitän sei ein guter Mann, sagte er, gewiß, er habe ihn auf unfeine Art entführt, um ihn auf sein Schiff zu holen, das schon, aber er habe sich immer freundlich gegen ihn gezeigt und er, Tao Chi’en, denke nicht daran, ihn zu betrügen. Mutlos ließ Eliza sich auf die Bank sinken und verbarg das Gesicht in den Händen, während Mama Fresia sie beide beobachtete, zwar ohne ein Wort Englisch zu verstehen, aber sie erriet, worum es ging. Schließlich rückte sie an Eliza heran und zupfte ein paarmal an dem Samtbeutel mit den Juwelen.
    »Glaubst du, daß auf dieser Welt irgend jemand etwas umsonst tut, Kind?« sagte sie.
    Eliza begriff sofort. Sie trocknete sich die Tränen ab und lud den Mann mit einem Wink zur Bank ein, sich neben sie zu setzen. Sie griff in den Beutel, holte die Perlenkette heraus, die Onkel John ihr am Tag zuvor geschenkt hatte, und legte sie Tao Chi’en auf die Knie.
    »Können Sie mich auf einem Schiff verstecken? Ich muß nach Kalifornien«, erklärte sie.
    »Warum? Das ist kein Ort für Frauen, nur für Banditen.«
    »Was ich suche, ist dort.«
    »Gold?«
    »Kostbarer als Gold.«
    Tao

Weitere Kostenlose Bücher