Fortune de France: Roman (German Edition)
befindet. Auf diese Weise füllt der starke, gesunde Geruch der Gewürznäglein die leeren Räume von Mund und Nase, so daß für die pestbehafteten Dünste kein Raum mehr bleibt und sie nicht in Euch einzudringen vermögen.«
Ich hörte und sah meinen Vater mit der allergrößten Bewunderung ob seines ungeheuren Wissens an, ganz überwältigt, in so kurzer Zeit so viele tiefgründige Dinge über die Pestseuche zu erfahren.
»Und zu guter Letzt, Ihr tapferen Ritter«, sprach Jean de Siorac, »hier Eure Helme: eine mit Essig getränkte kleine Tuchmaske, die Ihr über Mund und Nase tragen werdet, sobald wir Mespech verlassen haben. Nun denn, Ihr Herren Knaben«, fuhr er fort, »jetzt seid Ihr gewappnet für den Kampf gegen die Pest! Auf nun, mit Gott voran! Möge der Herr uns schützen! In Euren Satteltaschen wird ein jeder zwei geladene Pistolen finden, welche Euch wohl kaum gegen die Seuche dienlich sein können, doch – wenn es sein muß – gegen die Bosheit der Menschen.«
Im Hofe von Mespech stand das gesamte Gesinde versammelt und sah starr vor Schrecken, mit aufgerissenen Augen zu, wie wir uns zum Aufbruch anschickten; sie müssen geglaubt haben, wir würden nie mehr lebendig zurückkehren. Sauveterre eilte, sich seitwärts bewegend, die Freitreppe herab, meinen Vater mit Ungestüm zu umarmen und ihm dabei mit leiser Stimme, in der sich Angst und Zorn mischten, ins Ohr zu sagen:
»Es ist Wahnwitz, Wahnwitz!«
Indes mein Vater – vielleicht um diese Worte zu übertönen – mit lauter Stimme kundtat, daß Escorgol bei unserer Rückkehr mit der Glocke von Mespech Sturm läuten werde und keiner dann bei unserem Einzug auch nur seine Nase zeigen dürfe. Es sollten starke Feuer in den Kaminen brennen und Kessel mit reichlich Wasser zum Erhitzen aufgesetzt werden, darin zu baden und unsere Kleider zu waschen.
Außerhalb der Burgmauer warteten vor dem Torhaus bereits die Brüder Siorac, bleich und zitternd auf dem Bocke des Wagens sitzend, worauf das Fleisch geladen war. Sein Reittier für einen Augenblick zügelnd, wandte mein Vater sich um, mit seiner behandschuhten Hand eine kleine Geste des Abschieds zu Escorgol hin vollführend, welcher uns vom Fenster seines Turmes mit Tränen in den Augen nachsah. Was mich sehr betroffen machte wie zuvor schon der schweigende Abschied von unserem Gesinde auf dem Hof, bekam ich doch langsam eine Vorstellung von dem wahren Ausmaß der Gefahren, in die wir uns begaben.
Der Wagen fuhr los, und mein Vater lenkte seinen Apfelschimmel neben die Zugpferde, einen Augenblick stillschweigend die verängstigten Mienen der Brüder Siorac zu beobachten.
»Meine Vettern«, so sprach er schließlich, »ich mache mir Sorge um Euch, da ich Euch derart von der Einbildungskraft gequält sehe, welche gar große Macht über uns ausübt. Ihr zittert! Ihr wähnt Euch schon tot! Doch wisset, daß im Zustand der Angst und Furcht das Blut sich aus dem Herzen zurückzieht und eine Leere hinterläßt, welche dem Gift der Ansteckung einen leichten Zugang verschafft. So eilen diejenigen, welche zu sterben glauben, mit großen Schritten dem Tod entgegen.«
»Ich fürchte nicht so sehr den Tod«, erwiderte einer der Sioracs (und als er sodann von Michel sprach, wußten wir, daß es Benoît war), »sondern daß Michel stirbt und ich allein bleibe.«
»Solches fürchte auch ich«, setzte Michel hinzu.
»Nun, dann seid guten Mutes«, sprach mein Vater. »Da Ihr Zwillinge seid und die gleichen Körpersäfte Euch beleben, wird die Seuche nicht den einen befallen, ohne den anderen zu treffen. Ihr werdet also gemeinsam den Tod finden oder gemeinsam überleben, und keine Trennung wird Euch beschieden sein.«
»Gott sei gelobt!« sprach darauf Benoît mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung. »Mein edler Vetter, Ihr habt mir eine große Last vom Herzen genommen!«
»So auch mir«, setzte Michel hinzu.
Von dieser Minute an bekamen sie wieder Farbe ins Angesicht, ihre Züge besänftigten sich, und sie beklagten sich fortan nicht mehr, nur daß sie in der drückenden Hitze, wie wir anderen auch, Handschuhe und Masken tragen mußten. Dazu waren sie allerdings, wie mein Vater, noch angetan mit Brustharnisch und Morion, was nicht zu ihrer Bequemlichkeit beitrug und ihnen den Schweiß ins Angesicht trieb, obgleich der Morgen noch jung und die Sonne sich kaum erhoben hatte. Sie hatten jeder eine Arkebuse auf den Knien liegen, den Lauf auf den Wegrand gerichtet.
Zwei Meilen vor Sarlat sahen wir unterhalb der
Weitere Kostenlose Bücher