Fortune de France: Roman (German Edition)
müssen.«
»An Kopfweh stirbt man nicht«, sagte ich. »Das kommt vom vielen Essen und Trinken, davon die Dünste, die den Magen füllen und beschweren, durch Venen und Arterien in den Kopf aufsteigen.«
»Oh, mein Pierre!« erwiderte sie. »Ich weiß, du bist sehr gelehrt, aber dies Kopfweh ist tausendmal schlimmer als alles, was mir je widerfuhr, und mir ist so bange vor dem Sterben, weil ich so jung bin und so beladen mit Sünden.«
Ich beruhigte sie und nahm sie in meine Arme, wo sie sich an mich schmiegte, ohne sich indes zu besänftigen; ihr leises Zucken und Wimmern brach mir das Herz, weil ich deutlich spürte, wie sehr sie leiden mußte. Beschämt muß ich gestehen, daß ich, so bekümmert ich ihretwegen war, dennoch eingeschlafen bin, ermattet von den beiden Tagen, die ich vom Morgen bis in die Nacht im Sattel verbracht.
Tags darauf ging es der kleinen Hélix besser, wenngleich sie elend und blaß aussah; das Kopfweh hatte nachgelassen, nur beklagte sie, daß sich ihr zeitweilig ein Schleier über die Augen senke, so daß sie alles verschwommen und unförmig sah, wie durch einen Nebel.
Am 12ten Juli kam Franchou, ohne Hilfe und ohne Geschrei, mit einem Sohn nieder, der David genannt wurde; mein Vater ließ am 25sten Juli den Notarius Ricou kommen und verpflichtete sich, dem Kinde bei seiner Großjährigkeit eine Summe von zweitausend Dukaten zu geben. David wurde in diesem Kodizillzu dem Testament, welches mein Vater vor seinem Aufbruch nach Calais hatte aufsetzen lassen, David de Siorac genannt.
Der Sommer und der Herbst schienen in jenem Jahr sehr schnell zu vergehen, ich weiß nicht warum, vielleicht weil wir immer wieder Vermutungen über die Beweggründe der großen Kavalkade des Hofes anstellten, was ganz Mespech in Atem hielt, insonderheit Miroul, welcher geistig nicht weniger beweglich war als körperlich. Zudem lernte er sehr gut unter Alazaïs’ Fuchtel – und ihre »Fuchtel« meine ich wortwörtlich, denn sie war bei ihren Lektionen mit einem Stock bewaffnet, mit dem sie den Schülern beim geringsten Fehler auf die Finger klopfte.
»Mein armer Miroul«, sagte ich, als er den Pferdestall betrat, »erzähle mir nicht, wo du herkommst: ich seh’s an deinen Fingern.«
»Oh, das ist nicht das Schlimmste«, erwiderte Miroul, der sich eine Bürste griff und Acla auf der rechten Seite putzte, während ich sie auf der linken striegelte. »Das Schlimmste ist«, fuhr er fort und sah mich über den Rist der Stute mit seinem sanften und seltsam zwiefarbenen Blick an, »daß sie auf meine Fragen nicht antworten will.«
»Dann stelle mir die Fragen.«
»Darf ich, Moussu Pierre?«
»Aber gewiß«, sagte ich, denn ich war bemüht, ihm etwas beizubringen, weil ich das für meine Hugenottenpflicht hielt.
»Ich möchte wissen«, sprach Miroul, »warum Prinz Heinrich von Navarra am Hofe des Königs lebt und nicht in seinem Königreich, bei seiner Mutter.«
»Er ist ein Anhänger des reformierten Glaubens wie seine Mutter Jeanne d’Albret, und da Navarra so nahe an Spanien liegt, fürchtet sie, daß er vom katholischen König entführt werden könnte.«
»Dürfte er denn den Hof des Königs von Frankreich nach seinem Belieben verlassen?«
»Gewiß nicht. Er ist Gast Karls IX., aber auch ein wenig seine Geisel.«
»Und warum seine Geisel?«
»Er ist ein Bourbone. Wenn Karl IX. und seine Brüder kinderlos stürben, könnte Heinrich von Navarra auf den Thron gelangen.«
»Ein Hugenott wäre König von Frankreich!«
Die zwiefarbenen Augen Mirouls strahlten in so tiefer Freude, daß ich selbige mäßigen wollte.
»Heinrich von Navarra ist erst elf Jahre alt, mein armer Miroul, und es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn die drei Valois sämtlich kinderlos stürben.«
»Trotzdem«, meinte Miroul.
Ende November kam uns Geoffroy de Caumont besuchen, den wir seit langem nicht gesehen und der viel zu berichten hatte über die Begegnung der beiden Königinnen, denn Jeanne d’Albret war von Katharina von Medici eingeladen worden, sich der höfischen Kavalkade zeitweilig anzuschließen, um ihren Sohn zu umarmen und mit dem König die Beschwerden zu besprechen, die sie ihm über Montluc vortragen wollte.
»Ich gehörte zu den dreihundert Reitern«, berichtete Caumont nicht ohne Stolz, »die Jeanne d’Albret am zweiten Tag des Monats April bei ihrem Aufbruch von Pau das Geleit gaben. Das besonders Pikante daran war, daß die Königin von Navarra, von Süden nach Norden ziehend, mit ihrem
Weitere Kostenlose Bücher