Fortune de France: Roman (German Edition)
sich, obgleich »Abbé«, recht gut mit den Hugenotten verstand, als sie seine Abtei besetzten, erfuhr mein Vater, daß der eigentliche geistige Vater des Unternehmens Calais ebenselbiger Admiral Gaspard de Coligny gewesen sein soll, welcher Saint-Quentin so wacker verteidigt hatte, daß Heinrich II. die Zeit fand, den Heerbann aufzubieten, um die spanischen Angreifer zurückzuschlagen. Ich muß hier nicht sagen, wer der Admiral war und welch schreckliches Schicksal ihn vierzehn Jahre später in der so unheilvollen Bartholomäusnacht zu Paris ereilte. Den Colignys – damit meine ich die drei Brüder aus dieser berühmten Familie: Odet, Kardinal von Châtillon, d’Andelot, Generaloberst der Fußtruppen, und den Admiral – brachte man in unserer Familie die größte Hochachtung entgegen, denn sie waren die ersten hohen Adelsherren Frankreichs, welche sich zur reformierten Religion bekannten, wodurch sie die niederen Adeligen ermutigten, ihrem Beispiel zu folgen, und dem Lager der Hugenotten Kopf und Schwert verliehen.
Der Admiral – so Brantôme, welcher indes hier nur das von anderen Gehörte wiedergab, unter Verschweigung seiner Quelle – hatte während des Waffenstillstandes von Vaucelles Monsieur de Briquemaut verkleidet auf Kundschaft nach Calais geschickt. Selbiger erstattete ihm dann Bericht, und auf der Grundlage dieses Berichtes und der ausgekundschaftetenSchwächen in der Verteidigung verfaßte der Admiral ein Promemoria und entwarf Angriffspläne, welche er dem König vorlegte. Etliche Monate später, als der Krieg zwischen Spanien und Heinrich II. von neuem entflammt war, erinnerte sich der König dieses Promemorias und der Angriffspläne, erbat sich die Pläne von der gnädigen Frau Admiralin (denn Coligny befand sich seit der Einnahme von Saint-Quentin als Gefangener in den Händen der Spanier) und übergab sie dem Herzog von Guise.
Sollte diese Geschichte der Wahrheit entsprechen, dann wäre sie von allerhöchstem Interesse, weil sie zeigt, wie der künftige Kopf der hugenottischen Partei in Frankreich und das künftige Oberhaupt der katholischen Partei – davon der erstere später beschuldigt ward, seine Hand im Spiele gehabt zu haben bei der Ermordung des zweiteren, dessen Sohn wiederum nach Jahren ersteren meuchelte – für die Befreiung Calais’ zusammenwirkten, indem der eine die Pläne lieferte und der andere sie dann an Ort und Stelle auf das trefflichste ins Werk setzte. Was beweist, daß die Franzosen viel auszurichten vermögen für den Erhalt des Königreiches, wenn sie nur geeint sind.
Die Schwäche Calais’ – so mein Vater – lag darin begründet, daß die Verteidiger glaubten, die Stadt sei schon dank ihrer geographischen Lage ausreichend gesichert.
Die Stadt war fast gänzlich von Wasser umgeben – hie vom Meer, da von den aus dem Flusse Hames gespeisten Festungsgräben, an anderer Stelle von Sumpf und Morast –, so daß sie mit dem festen Lande nur über einen einzigen, durch Festungswerke geschützten Damm verbunden war. Winters stiegen die Wasser gewaltig an, und im Vertrauen auf dieses natürliche Hindernis pflegten die Engländer aus Sparsamkeitsgründen während der kalten Jahreszeit die vielköpfige Besatzung, welche sie im Sommer in Calais unterhielten, beträchtlich zu verringern. Zudem verließen sie sich darauf, daß sie in kurzer Zeit Verstärkung aus Dover erhalten konnten, und vertrauten auch auf die Hilfe der spanischen Armee, die seit dem Debakel von Saint-Quentin in Frankreich so mächtig war.
»Der Erfolg«, sagte mein Vater, »lag in der strengen Geheimhaltung des Unternehmens begründet, in der Überraschung und Verwirrung des Feindes, als selbiger uns vor seinen Festungsmauern auftauchen sah, sowie in der äußersten Schnelligkeitunseres Vorstoßes, welche den Engländern nicht die Zeit ließ, Verstärkung aus Dover herüberzubringen.« Und er fügte hinzu: »Daß die Unternehmung geheimgehalten und so überraschend und schnell durchgeführt ward, ist dem Herzog von Guise zu verdanken.«
»Was ist er für ein Mann?« fragte Isabelle. Ihr goldblondes Haar war von der Sonne überglänzt, welche durch eines der Kreuzstockfenster des großen Saales drang.
»Ihr meinet, von seiner äußeren Erscheinung her?«
»Ja«, antwortete meine Mutter errötend.
»Nun«, sprach mein Vater mit einem dünnen Lächeln, »er ist von hoher und schöner Gestalt und trägt, so er nicht mit seinem Harnisch angetan ist, ein Wams und Kniehosen von karmesinroter Seide,
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