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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Zöpfe hingen ihr traurig über die Wangen.
    »Nun, Catherine, mein Töchterchen«, sagte mein Vater mit freundlichem Lächeln zu ihr, »ich habe Euch wohl vergessen. Doch Ihr habt meine Frage gehört: Wollt Ihr Euch wie Euer Vater zur reformierten Religion bekennen?«
    »Das will ich«, sagte Catherine mit zitternder Stimme und brach in Schluchzen aus.
    Die Miene meines Vaters, welcher wohl wußte, daß Catherine um meiner Mutter willen weinte, verfinsterte sich, und er sprach mit schroffer Stimme:
    »Barberine, es ist Zeit, die Kinder ins Bett zu bringen. Sie sind heute recht lange aufgeblieben.«
    Barberine erhob sich, ihre kleine Schar um sich zu sammeln, als Coulondre wie ein Fisch den Mund auftat. Er wollte also etwas sagen, was bei ihm indes so ungewöhnlich war, daß es einer gewissen Vorbereitung bedurfte: aus seinem offenen Munde kam noch kein Ton. Doch niemand täuschte sich: Coulondre wollte seinen Gedanken laut aussprechen – ein so seltenes Ereignis, daß sich alle Blicke mit Erstaunen auf ihn richteten und auch Barberine in ihrem Tun innehielt.
    Coulondre hatte seinen eisernen Arm auf den Tisch gelegt, um seine Schulter von dem Gewicht zu entlasten. Sein Haar war ergraut, obgleich er die Vierzig kaum überschritten hatte, und er trug eine ewig trübsinnige Miene zur Schau. Bei Tisch pflegte er auf seine ganz eigene Art die Augen zu schließen, so daß man wenig Lust verspürte, das Wort an ihn zu richten. Im übrigen war niemand darauf erpicht, seine Antwort zu hören. Denn wenn Coulondre Eisenarm statt eines undeutlichen Murrens verständliche Laute von sich gab, waren es stets düstere und unheilverheißende Worte. »Was für starke Waffen, die vielen Feinden den Garaus machen werden!« hatte ich begeistert ausgerufen, als Cabusse, bevor mein Vater in den Krieg zog, uns Kindern die Feuerrohre zeigte. »Der Feind hat die gleichen«, war Coulondres Antwort gewesen, wobei sein Blick und Ton zu sagen schienen, daß keiner lebendig davonkommen würde, auch nicht mein Vater.
    Er hatte die Neigung und die besondere Gabe, die Zukunft ganz in Schwarz zu malen, ohne das kleinste Fünkchen Hoffnung. Deshalb schreckte es auf Mespech nicht nur das Gesinde, sondern auch die Herren Brüder, wenn Coulondre den Mund zum Sprechen auftat, denn was er von sich gab, waren nur ätzende Schwefeldämpfe, Bemerkungen, die uns das Herz beschwerten, erdrückende Wahrheiten. Er war ein Meister darin, an allen Dingen immer nur die schlimme Seite zu entdecken.
    »Moussu lou Baron«, sprach er mit der rauhen Stimme schweigsamer Menschen, »ich möchte eine Frage stellen.«
    »Stell sie nur, stell sie nur, mein wackerer Coulondre«, sagte mein Vater mit seiner gewohnten Leutseligkeit, doch wie wir alle voller Sorge, was wohl unser Schweiger von sich geben würde.
    »Moussu lou Baron«, hub Coulondre nochmals an, »werden auf Mespech auch in Zukunft die Feste der Heiligen gefeiert, wie es bisher Brauch war?«
    Alle sahen sich an, und da mein Vater mit der Antwort zögerte, sprach Sauveterre kurz angebunden:
    »Es gibt keinen Grund, weiterhin die Feste der Heiligen zu feiern, denn in der reformierten Religion gibt es keine Heiligenverehrung.«
    »Das dachte ich mir«, sagte Coulondre mit Leichenbittermiene und schloß die Augen.
    Alle Augen richteten sich auf ihn, und stumme Verzweiflung machte sich am ganzen Tische breit. Unsere Leute waren so konsterniert, daß sie nicht mehr wußten – wenn ich so sagen darf –, zu welchem Heiligen sie ihre Zuflucht nehmen sollten; sie hatten begriffen, daß sie an diesem Abend mit einem Schlag gut fünfzig Feiertage im Jahr verloren hatten.
     
    Am Nachmittag des nächsten Tages (das folgende dramatische Gespräch ist in extenso im »Buch der Rechenschaft« wiedergegeben) bestellte der Baron de Siorac die Baronin de Siorac in seine Bibliothek. Anwesend waren auch Monsieur de Sauveterre, Pastor Duroy sowie die vier Brüder Caumont, deren Ältester, François, Herr von Milandes und Castelnau war. Die Baronin sollte in der reformierten Religion unterwiesen und zur Konversion aufgefordert werden.
    Als gute Feldhauptleute hatten Siorac und Sauveterre die Bekehrung Mespechs rasch und ohne großes Federlesen durchgesetzt. Mit dem brillanten taktischen Sinn, den der Guise vor Calais gezeigt, hatten sie die Festungswerke und Schanzen der Stadt eine nach der anderen eingenommen und gedachten nun, mit dem Hauptteil ihrer Streitmacht einen plötzlichen Schlag gegen die Zitadelle zu führen. Doch wenn sie

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