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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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glaubten, daß ihr Angriff überraschend käme, dann irrten sie; denn dank Franchou, die von Barberine auf dem laufenden gehalten wurde, wußte Isabelle genau, welchen Fortschritt die Reformation in unseren Mauern genommen und wie ihr Ehegemahl, ihre Söhne, die Brüder Siorac, Cabusse und Cathau sowie das gesamte Gesinde, Männer wie Weiber, sich ihr angeschlossen hatten.
    Allein und allseits vom »Ketzertum« umgeben, ließ sich Isabelle indes nicht entmutigen, sondern erschien ganz im Gegenteil mit stolzem Mut und geschwollenem Kamm in der Bibliothek, angetan mit prächtigen Kleidern und blütenweißer Halskrause, das schöne Haar geschmückt mit den von ihren Vorfahren ererbten Perlen (denn mein Vater hätte es wohl kaum über sich gebracht, schwerverdientes Geld für solch eitle Nichtigkeiten auszugeben).
    Und sie ging auch sogleich, noch ehe mein Vater den Mund geöffnet, zum Angriff über.
    »Meine Herren«, so begann sie hochmütigen Tones, »was tut Ihr in so großer Zahl hierinnen? Habt Ihr Euch gegen mich verbündet? Wollet Ihr über mich richten? Gedenkt Ihr mich am Ende gar auf die Folter zu bringen? Habt Ihr deshalb meine vier Vettern Caumont kommen lassen? Sieben Männer gegen ein unglückliches Weib, welchem niemand beisteht! Fühlt Ihr Euch stark genug, mich zu besiegen?«
    »Madame«, erwiderte mein Vater, recht betroffen von diesem Beginn und dem Hochmut, den sein Weib sogleich an den Tag gelegt, »Eure Rede entbehrt jeglichen Sinnes und Verstandes. Keiner der hier Anwesenden will Euch übel. Wir wünschen im Gegenteil aus dem tiefsten Grunde unseres Herzens, daß Ihr die ewige Rettung finden möget. Und wenn Eure Vettern Caumont hier anwesend sind, so darum, weil sie allein von Eurer illustren Familie Euch noch verblieben sind; und da sie sich schon seit langem zur reformierten Religion bekennen, haben sie zugegen sein wollen, wenn die Aufforderung an Euchergeht, Ihr möget Euch uns anschließen. Was Herrn Duroy anlangt, welchen Ihr hier vor Euch sehet …«
    »Das Subjekt kenne ich nicht«, sagte meine Mutter in ihrem hochmütigsten Ton, »und ich will auch nichts von ihm wissen.«
    »Subjekt, Madame?« Mein Vater zuckte zusammen. »Mon sieur Duroy ist Pastor unserer Religion und ein Mann von hoher Gelehrsamkeit und Tugend. Ihr schuldet ihm Respekt.«
    »Mein Herr Gemahl«, entgegnete Isabelle, »Respekt schulde ich den Priestern und Prälaten der Heiligen Kirche, der ich angehöre wie vor mir alle meine Ahnen und wie auch Frankreichs König Karl IX., unser Herr und Gebieter, und welcher ich bis zu meinem letzten Atemzuge treu ergeben zu bleiben gedenke. Mit Euren pestilenzialischen Ketzern hingegen will ich nichts zu schaffen haben!«
    Dies hatte sie mit so viel Verachtung gesagt, daß eine lange Stille folgte. Sauveterre, Duroy und die Caumonts schienen wie zu Stein erstarrt. Mein Vater indes erhob sich und tat einige Schritte im Raum hin und her, die Fäuste geballt, schäumend vor Zorn und unfähig, auch nur ein Wort hervorzubringen.
    »Isabelle«, stieß er schließlich mit tonloser Stimme hervor, »hütet Euch! Wir alle hier sind, wie Ihr es zu nennen beliebt, ›pestilenzialische Ketzer‹, und wenn Ihr nichts mit uns zu schaffen haben wollt, dann bedeutet dies, daß Ihr Euch lossagt von Eurer ganzen Familie.«
    Isabelle begriff sogleich, daß sie zu weit gegangen war, und schwieg, doch sie blieb bei ihrer rebellischen Unfügsamkeit, den Kopf hoch erhoben. Ihr Schweigen gab indes meinem Vater Gelegenheit, sich zu beruhigen, wieder Platz zu nehmen und weiterzusprechen, was er mit einer Stimme tat, welche ganz heiser war von seinem Zorn und der Anstrengung, diesen zu meistern.
    »Madame, ich bitte Euch, wollet auf diesem Stuhl hier Platz nehmen und anhören, was Pastor Duroy Euch über unsere Religion zu sagen hat.«
    »Nein, Monsieur, ich werde stehen bleiben«, erwiderte Isabelle in einem sanfteren, doch nicht weniger entschlossenen Ton. »Und ich werde meine Ohren verschließen vor den gefährlichen Neuerungen, welche Ihr in den Glauben unserer Väter einführen wollt!«
    »Ha, meine Schwäherin!« entgegnete ihr Sauveterre vollerEmpörung, »dies ist ja gerade Euer tödlicher Irrtum, welcher aus Eurer gewollten Unwissenheit erwächst. Die Neuerungen sind nicht unser Werk! Wir versuchen, ganz im Gegenteil, zum reinen und klaren Urquell des Christentums zurückzufinden, den die römische Kirche in einen schlammigen Strom verwandelt hat durch Hinzufügung von vielerlei überkommenen

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