Fortune de France: Roman (German Edition)
gewesen, unversehens so laut zu schreien an, daß der Lärm einen Toten hätte erweckenkönnen. Die kleine Hélix legte das Kind in ihrer Mutter Schoß, Barberine schnürte ihr rotes Mieder auf, und der kleine Schreihals schnappte sogleich nach der großen, festen, prachtvollen Brust. Seine Händchen in das weiße Fleisch krallend, schloß er selig die Augen und saugte still. Dies war ein Anblick, an dem ich mich gemeiniglich nicht satt genug sehen konnte, und ich gewahrte, daß es mir nicht allein so ging, denn alle in der Runde, auch mein Vater, blickten auf Barberines pralle schneeweiße Brust; nur Sauveterre und Pastor Duroy wandten die Augen ab und sprachen leise miteinander. Ich hätte mich geschämt bei dem Gedanken, als großer Junge noch den Platz des kleinen Annet einzunehmen, und doch fühlte ich fast die süße, warme Milch in meine Kehle rinnen. Zudem beneidete ich den Kleinen, daß er mit seinen dicken Fingerchen die wunderbare runde Brust betasten durfte, welches Vergnügen ich in der Stille gewisser Nächte mit der kleinen Hélix entdeckt, deren Reize sich leider nicht mit denen ihrer Mutter vergleichen konnten. Doch unversehens empfand ich tiefe Scham darüber, daß ich in einem solchen Kreis in meinem Inneren jener Sünden gedacht, welche ich niemals dem Pfarrer Feuerzange zu beichten gewagt hatte aus Furcht, meine Mutter könnte durch ihn davon erfahren und würde der Schlafgemeinschaft ein Ende setzen. Gott sei Dank brauchte ich nun, da ich zu einem Hugenotten oder, wie unsere Leute sagten, zu einem
Ugonau
geworden, überhaupt nicht mehr zur Beichte zu gehen, was mir ein schweres Gewicht vom Herzen nahm, so sehr waren mir diese Gespräche mit Feuerzange, seine funkelnden Augen und seine unersättliche Neugier zuwider.
Ich bin mir gewiß, daß keiner der Anwesenden zu denken gewagt hätte, welch schönes Modell die stillende Barberine für ein Standbild der Jungfrau Maria mit dem Jesuskind abgeben würde, und doch kam mir ebendieser Gedanke in den Sinn, obgleich ich nunmehr ein
Ugonau
geworden. Allein ich ließ nichts davon verlauten, denn ich wollte meinen Vater nicht betrüben, welcher – das Ende der Säuglingsmahlzeit ersehnend, um dem Gesinde die feierliche Frage stellen zu können – halb im Ernste, halb im Scherz zu Barberine sprach:
»Meine liebe Barberine, ich hätte große Lust, dir dein Achathalsband abzunehmen, um dir zu beweisen, daß es nicht im geringsten den Milchreichtum fördert.«
»Oh, Herr Baron!« erwiderte Barberine, die bei dieser Drohung fast schon zu spüren vermeinte, wie ihre Milch in die Tiefen ihres Leibes zurückfloß, »solches dürft Ihr mir nicht antun! Meine Brust würde sogleich versiegen, und mein kleiner Annet müßte vergehen!«
»Sei unbesorgt«, sprach mein Vater lachend, »ich werde es nicht tun! Behalte nur deine Achate, sie nehmen sich gar hübsch aus auf deiner weißen Haut! (Sauveterre runzelte hierüber die Stirn.) Und wer weiß, ob nicht, so dir die Steine fehlten, die bloße Einbildung hinreichen würde, deine Milch zum Versiegen zu bringen! Man soll eine gute Amme nicht verdrießen.«
Bei diesen Worten ließ der kleine Annet unversehens seine Beute fahren und schloß gesättigt die Augen. Barberine legte ihn wieder der kleinen Hélix in die Arme und schob die prächtige Brust in ihr Mieder zurück, worauf der ganze Saal gleich viel trauriger wirkte.
»Und nun, ihr Leute«, hub mein Vater an, wieder ganz ernst geworden, »lasset uns zu unserer Angelegenheit zurückkommen! Wer von euch bekennt sich zur Reformation? Sprich, Michel Siorac!«
»Ich bekenne mich«, antworteten Michel und Benoît Siorac wie aus einem Munde.
»Cabusse?«
»Ich bekenne mich.«
»Coulondre?«
»Ich bekenne mich.«
»Marsal?«
»Ich bekenne mich.«
»Jonas?«
»Ich bekenne mich.«
»Faujanet?«
»Ich bekenne mich.«
Alsdann kam die Reihe an die Frauenzimmer, deren Antworten weniger freimütig und überzeugt klangen, zumindest bei Barberine, Cathau und der Maligou; denn für die kleine Hélix (dreizehneinhalb Jahre) und die Gavachette (sechs Jahre) war das Ganze nichts als ein rechter Possen, den man dem Pfarrer Feuerzange spielte.
Nachdem die Gavachette geantwortet, merkte mein Vater, daß er vergessen hatte, Catherine zu fragen, welche als seineTochter noch vor den Brüdern Siorac an der Reihe gewesen wäre. Catherine, da sie sich übergangen sah, glaubte sich von der väterlichen Liebe ausgeschlossen und saß nun mit gesenktem Kopfe da; die blonden
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