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Fossil

Fossil

Titel: Fossil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlín R. Kiernan
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Schmerz in seinem Kopf wird schlimmer. Vielleicht bringt es ihn ja diesmal wirklich um, überlegt er. Möglicherweise ist das jetzt das letzte Mal, und niemand wird jemals seine Leiche finde, seine Knochen werden abgenagt und weiß in der Sonne ausbleichen, bis sie zu Staub verfallen und gnädiger Regen ihn nach und nach in den gastfreundlichen, vergesslichen Teich spült.
    «Das ist alles, was Sie wollen, Mr. Silvey? Nur eine kleine Tour die Lethe hinunter?» Deacon schaut auf, blinzelt, und da steht der Anhalter auf der anderen Seite des Teichs. Er lächelt sein zu breites Lächeln, kniet sich am Ufer neben den Baumwurzeln hin und taucht den Finger ins Wasser. «Hätten Sie doch nur einen Ton gesagt. Mann, ich habe wirklich eine Menge Verbindungen zur Hölle!»
    Über ihm hängt um einen niedrigen Ast gewickelt die Mokassin. Eine tote Schlange, aus deren zermalmtem Schädel Blut und Gift tropfen, klebrig-feuchte Tropfen aus Leben und Tod ans Wasser verschwendet, das weder lebt noch tot ist. Der Mann spielt mit den Fingern im Teich und schüttelt den Kopf.
    «Sie hat Ihnen gesagt, dass hier keine Antworten zu finden sind, vermute ich? Die kleine Hure hat schon ein hübsches Mundwerk, schlimmer als ihre verdammte Mutter. Aber es ist ja nicht so, als hätte ich Ihnen diese Information vorenthalten, Sie hätten mir nur zuhören müssen.»
    «Sie…», krächzt Deacon, sein Hals tut ihm weh und er würgt wieder, bevor er noch etwas hinzufügen kann. «Das waren Sie. Sie haben ihre Mutter umgebracht.»
    Der Anhalter fährt sich nachdenklich übers Kinn, zieht die Hand aus dem Teich, hält sie ein paar Zentimeter über die Oberfläche und beobachtet, wie kristallene Tropfen von seinen Fingerspitzen nacheinander ins Wasser fallen.
    «Nein, Sir», sagt er. «Das war ich nicht. Hier gibt es keine Antworten, Deke. Das hat sie gesagt und hatte recht damit. Keine gottverdammten Antworten, nirgendwo.»
    Deacon hat die Pistole gezogen und auf den Mann gerichtet, aber seine Hände zittern, und seine Augen tränen so sehr, dass er kaum etwas sehen kann, dennoch spannt er den Hahn. «Vielleicht bin ich gar nicht mehr so interessiert an Antworten.»
    «An Ihrer Stelle würde ich hier nicht mit dem Ding herumfuchteln, wenn Sie nicht den Mumm haben, es zu benutzen.» Der Mann steht auf und wischt sich die nasse Hand an der Hose ab. «Sie sind einfach kein Killer. Sie haben höchstens Ihre Hoffnungen und Träume begraben, und vielleicht die eine oder andere Flasche Kentucky Bourbon auf dem Gewissen.»
    Deacon starrt auf den kurzen Lauf der Pistole und blinzelt, versucht die Augen klar zu bekommen, im Mund hat er den säuerlichen Geschmack von Erbrochenem.
    «Wenn das Albinomädchen das Ding da gerade auf mich richtete, würde ich mir vielleicht Sorgen machen. Man kann über sie ja sagen, was man will, nicht alle Tassen im Schrank und so, aber die Kleine besaß den Mut ihrer Überzeugungen. Und wissen Sie, was noch?»
    «Halt’s Maul, du Wichser», flucht Deacon, weil die Stimme des großen Mannes noch schlimmer ist als die Kopfschmerzen, scharf wie geschliffener Stahl und Glasscherben bohrt sie sich auf gewundenen Pfaden einen Wurmgang in sein Bewusstsein. Ich muss nur abdrücken, denkt er. Nur den beschissenen Abzug drücken.
    «Sie sollten Ihre fünf Patronen besser klug verwenden, Mr. Silvey, denn hier draußen im Wald bin ich im Moment nicht Ihr einziges Problem.»
    Und jetzt sieht Deacon sie, all die Spindelbeine und feuerroten Augen, sie kriechen aus den Bäumen hinter dem Mann, Knochen und Äste, zusammengehalten von Stacheldraht und Schnüren.
    Schlangen und eine Meute Hunde.
    «Ab und zu schätzen wir ein kleines sportliches Kräftemessen», sagt der Mann und lächelt, diesmal so breit wie die Grinsekatze, ein unechtes Lächeln, das von Ohr zu Ohr reicht. Seine Zähne sind riesig und glänzen schwarz wie Pfeilspitzen aus Obsidian.
    «Falls du wegläufst, Deacon Silvey, kommen wir gern hinterher.»
    Deacon lässt die Waffe langsam sinken, ihm muss niemand erst erzählen, dass er kein Held ist. Also tut er ganz genau das, wovor der Anhalter ihn gewarnt hat: Er dreht sich um und läuft durch den Wald, den Pfad entlang zur Hütte. Die Dornbüsche greifen nach seinem Gesicht und den Armen, zerkratzen ihn, Blut fließt, und er bekommt juckende Quaddeln auf der Haut. Er hat es schon fast bis zur Lichtung geschafft, als er sie kommen hört. Die schwerfälligen Geräusche, die sie auf ihrem Weg durch die Bäume machen, das trockene

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