Fossil
Rascheln der Blätter und das Tapp, Tapp, Tapp harter Tatzen auf dem Erdboden.
Hinter der Lichtung versinkt die Ruine der Hütte schnell in der Nacht und dem Feenglanz Hunderter Glühwürmchen, und Deacon ist schon beinahe am Wagen angekommen, bevor er anhält und sich umsieht. Nicht die geringste Spur von ihnen, nichts zu sehen außer Wald und Pfad, kein Anhalter, keine Rubinaugen, die im Dunkeln näher kommen. Nicht einmal die Laufgeräusche sind noch zu hören. Dabei atmet er so schwer, dass er sich bestimmt gleich wieder übergeben muss, sein Herz rast, und er hat Seitenstiche. Deacon hat keine Ahnung, wann er das letzte Mal gerannt ist, wirklich gerannt. Wahrscheinlich nicht mehr seit seiner Kindheit, also vor seinem ersten Drink.
«Dahinten ist nichts», sagt er, sagt es laut und zornig, um sich selbst Mut zu machen, laut, damit die Nacht, die sich über Shrove Wood legt, es hören kann. «Nicht das Allergeringste.» Die letzten fünf, sechs Meter bis zum Auto geht er ganz ruhig, dann legt er die Waffe auf das Dach des Chevy und greift auf der Suche nach den Aufschlüsseln in seine Hosentasche. Dabei behält er allerdings die ganze Zeit den Pfad und die Bäume im Auge. Es ist eben eine Sache, die Nacht anzuschreien, aber eine andere, auch nur ein Wort davon zu glauben.
Die Schlüssel sind nicht in seiner Tasche.
Er beugt sich vor und späht durch das Fenster auf der Fahrerseite. Da drinnen stecken sie, hängen im Zündschloss. Er war zu beschäftigt mit dem Handschuhfach und der Waffe, hatte es zu eilig wegen des Sonnenuntergangs, um daran zu denken, die verdammten Schlüssel einzustecken. Fluchend schlägt er hart gegen das Fenster, aber das bleibt ganz. Da ist es schon wahrscheinlicher, dass er sich die Knöchel gebrochen hat, die Hand gebrochen hat, und jetzt hört er sie wieder. Schritte auf dem Pfad und ihren gierigen, hechelnden Atem. Er sieht auf, und der Anhalter steht vor dem Auto, noch immer auf zwei Beinen, aber nun hat er mehr Ähnlichkeit mit den zweigartigen Hundewesen als mit irgendeinem Menschen. Er lacht sein dünnes hallendes Lachen.
«Irgendwelche Probleme?», fragt er, und Deacon überlegt, dass es schwierig sein muss, durch das knotige Durcheinander aus Draht und Ästen zu sprechen, in das sich das Gesicht des Anhalters verwandelt, während darüber trügerisches Fleisch abpellt und in ausgefransten toten Fetzen herabhängt, den Blick auf das freigibt, was darunter ist, immer darunter war. «Waren wir wieder unaufmerksam, Mr. Silvey?»
Was Deacon im Augenblick allerdings viel unglaublicher erscheint als alles, was passiert ist, seit er in die Eleanore Road eingebogen ist, seit er Birmingham verlassen hat, sind die innere Ruhe und vollkommene Klarheit, die er auf einmal empfindet, während er dem Anhalter ins Gesicht starrt. Klarheit trotz der tödlichen Migräne, vielleicht steckt irgendwo in ihm also doch noch ein winziger Hauch Kraft, oder es ist einfach nur der Wahnsinn, der sich so anfühlt. Diese Losgelöstheit, und er greift nach dem Revolver auf dem Dach des Chevy.
«Ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht herkommen», knurrt der Anhalter. «Habe dir die Karten gezeigt und dir erklärt, dass du deinen Hintern schleunigst wieder nach Hause schieben sollst.» Und dann kann er nicht weitersprechen, weil in seinem Mund nur noch blanke Knochen und Hundezähne, Stroh und Kupferdraht sind. Deacon haut den Griff der Waffe gegen die Windschutzscheibe, legt seine ganze Kraft in diesen einen Schlag, aber das Glas bekommt lediglich Risse, konzentrische Kreise wie ein Spinnennetz, nicht breiter als eine Münze. Die Klauen des Anhalters kratzen laut auf der Motorhaube, als er darüber hinweg zu Deacon klettert. Sein Schädel hängt lose und schlaff auf dem Komposthaufen, der nun seine Schultern ersetzt. Zum zweiten Mal legt Deacon die Pistole an.
«Ich habe keine Zeit mehr für diesen Scheiß», sagt er, drückt ab, und das Fenster des Chevy explodiert, ein Regen aus diamantenen Sicherheitsglasscherben geht nieder, und die Patrone bohrt sich tief in den Beifahrersitz. Einen so lauten Schuss hätte Deacon niemals von einer so kleinen Waffe erwartet, der Knall hallt nach, und die Schallwelle breitet sich durch Shrove Wood aus. Deacon öffnet die Tür und setzt sich hinters Steuer. Gleichzeitig dreht er den Schlüssel um, bevor er noch einmal nach dem Anhalter schaut. Doch draußen ist nichts zu erkennen außer den schattenhaften Bäumen vor dem indigofarbenen Himmel und einer letzten
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