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Fossil

Fossil

Titel: Fossil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlín R. Kiernan
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einmal zusammenfaltet und in die Brusttasche ihres Overalls steckt.
    «Ja, danke nochmal», sagt Sadie. Pu zuckt die Schultern und starrt auf Sadies schmutzige Füße.
    «Gott, Deke, du musst deiner Freundin unbedingt Schuhe kaufen.» Damit dreht sie sich um und knallt das Lehrbuch geräuschvoll auf die mintgrüne Formica-Oberfläche des Tresens. Sadie will ihr gerade erzählen, dass Pu sie mal kann und sich gefälligst verpissen soll, sie finden schon jemand anders, der die Schicht übernimmt, aber Deacon stößt sie heftig mit dem Ellbogen an und redet schon wieder, bevor Sadie auch nur den Mund aufmachen kann.
    «Also, wie gesagt, ich werde versuchen, bis Mitternacht wieder da zu sein, aber versprechen kann ich es nicht. Ich weiß einfach nicht, wie die Dinge sich entwickeln.»
    «Okay», sagt Pu,«mir egal. Da ich ja jetzt hier bin, kann ich auch arbeiten.» Sie schlägt das Buch auf und blättert ziellos durch die Hochglanzseiten. Deacon nimmt Sadie beim Arm und führt sie aus dem Waschsalon in die warme Sommernacht.
    «Die sollte man lieber I-Ah nennen», brummelt sie, und Deacon nickt. Er hält sie weiter fest beim Arm, als ob er befürchtet, sie könnte umdrehen und wieder in den Wash-N-Fold rennen, um eine Schlägerei mit Pu anzuzetteln. Sadie hat nichts dagegen, findet es beruhigend, ihn so nah bei sich zu fühlen, schön, ihn an ihrer Seite zu wissen.
    «Und was nun, Miss Jasper?», fragt er, und Sadie zeigt in Richtung Südwesten, dorthin, wo der kleine Park und der Tunneleingang sich befinden. Bis dahin müssen es ungefähr anderthalb Kilometer oder etwas mehr sein, und sie brauchen mindestens noch zwanzig, fünfundzwanzig Minuten, bis sie zu Fuß da sind.
    «Jetzt müssen wir sie finden und dafür sorgen, dass ihr nichts passiert.» Ohne ein weiteres Wort führt Sadie ihn um die nächste Ecke.
    Weniger als einen Block vom Park entfernt tritt Sadie auf die scharfkantige Scherbe einer zerbrochenen Flasche, einer gemeingrünen Limoflasche, die zwischen Gras und Löwenzahn am Ende des Bürgersteigs verborgen lag, am überwucherten Rand eines Vorgartens. Jetzt hat sie eine zwei bis drei Zentimeter lange Schnittwunde in der Hacke ihres rechten Fußes.
    «Verdammt, wir waren fast da», sagt sie. «Wir können jetzt nicht aufgeben.» Sie tut so, als würde es nicht höllisch wehtun, als ob ihr das ganze Blut auf dem Beton nicht aufgefallen wäre. Aber Deacon zwingt sie trotzdem, sich hinzusetzen, und betrachtet dann im trüben gelben Licht einer nahen Veranda den Schnitt.
    «Geht ganz schön tief», sagt er und blickt finster auf Sadies Sohle. «Das wirst du nähen lassen müssen.»
    «Die können mich auch noch später nähen, verdammt», sagt Sadie und will aufstehen, aber er zwingt sie noch einmal, sich wieder hinzusetzen.
    «So kann ich dich nicht weitergehen lassen, Süße, es ist wirklich ein richtig tiefer Schnitt, kein Scheiß.» Eilig macht er einen seiner Turnschuhe auf, zieht ihn aus und die Socke gleich dazu. Sadie bekommt erst gar nicht mit, was er da macht, sondern schaut ängstlich hinüber zum Park, lässt die Augen am Glühwürmchenlicht der Straßenlaternen und den erleuchteten Fenstern vorübergleiten, die die Straße begrenzen, ein bunter Feenschweif, der bei Dancy und dem Loch im Red Mountain endet. Von ihrem Platz aus kann sie den vorderen Teil des Parks erkennen. Dort gibt es keine Lichter mehr. Nichts als die anschmiegsame Nacht, die sich schwarz gegen die Erde presst.
    «Es will mich aufhalten, Deacon», sagt sie, und ihre Stimme klingt auf einmal so brüchig wie ein paar alte, aus der Zeitung ausgeschnittene Artikel. Gleich fängt sie an zu weinen, aber das ist ihr egal. «Es versucht, mich von ihr fernzuhalten.»
    «Wovon redest du, Sadie? Was will dich aufhalten?» Deacon zieht die weiße Tennissocke über Sadies verletzten Fuß, und sie zuckt vor Schmerz zusammen, verzieht das Gesicht und schließt die Augen. Heiße Tränen laufen ihr über die Wangen, Tränen eher aus Wut als wegen der Schmerzen, Tränen, weil sie glaubt, dass sie Dancy im Stich gelassen hat, und nicht unbedingt wegen der Angst vor lachenden Schatten oder ausgemergelten, grinsenden Hundemonstern.
    «Warum willst du mir nicht sagen, was zu Hause in der Wohnung passiert ist? Was hast du da gesehen?» Sie schaut ihn an. Für solche Gespräche hat sie jetzt weder die Geduld noch die Zeit, jede Sekunde, die sie herumsitzen und reden, ist eine verlorene Sekunde, eine verschwendete Sekunde.
    «Warum erzählst du mir

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