Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
lebhaft vorstellen, welche Zweifel sie weckten.
Eingeborene, die unbefugt in den oberen Stockwerken einer Klinik
herumwanderten, eine Ungeheuerlichkeit. Was war da zu tun?
Früher oder später würde man sie anhalten.
So machte Terens’ Herz vor Freude einen jähen Satz, als
er die unscheinbare Tür mit der Aufschrift ›Zu den
Eingeborenenstationen‹ bemerkte. Der Fahrstuhl war sogar
oben. Er scheuchte Rik und Valona hinein. Als die Kabine mit leisem
Ruck anfuhr, war dies für ihn der köstlichste Augenblick
des ganzen Tages.
In der Stadt gab es drei Arten von Gebäuden. Die meisten
gehörten ausschließlich zur Unteren Stadt,
Arbeiterwohnhäuser von bis zu drei Stockwerke Höhe etwa,
Fabriken, Bäckereien oder Anlagen zur Abfallentsorgung. Auf die
Obere Stadt beschränkt waren die Häuser der Sarkiten, die
Theater, die Bibliothek und die Sportstadien. Daneben existierten
einige wenige Doppelbauten, die sich über beide Ebenen
erstreckten und von unten wie von oben betreten werden konnten. Zu
ihnen zählten unter anderem die Gendarmeriestationen und die
Kliniken.
Somit bot eine Klinik die Möglichkeit, von der Oberen in die
Untere Stadt zu gelangen, ohne die großen, trägen
Frachtaufzüge mit den übereifrigen Fahrstuhlführern
benutzen zu müssen. Eingeborenen war das natürlich
strengstens untersagt, doch wer soeben einen Gendarm niedergeschlagen
hatte, setzte sich über solche Verbote bedenkenlos hinweg.
Als die drei den Fahrstuhl verließen, waren sie in der
Unteren Stadt. Auch hier erstrahlten die Wände noch in
hygienischem Weiß, aber sie wirkten doch ein wenig stumpf, als
würden sie nicht so oft abgewaschen. Auch gab es keine
gepolsterten Sitzbänke wie auf den Korridoren der oberen Etagen.
Am auffallendsten waren freilich die erregten Stimmen, die aus einem
Warteraum voller mißtrauischer Männer und
verängstigter Frauen drangen.
Eine einzige Hilfskraft bemühte sich, Ordnung in das
Durcheinander zu bringen. Der Erfolg hielt sich in Grenzen.
Sie hatte sich soeben einen unrasierten Greis vorgeknöpft,
der verlegen an seinem zerknitterten Hosenbein herumzupfte und alle
ihre Fragen gleichermaßen leise und schüchtern
beantwortete.
»Was hast du für Beschwerden?… Wie lange hast du
die Schmerzen schon?… Bist du zum ersten Mal hier?… Ihr
könnt nun wirklich nicht wegen jeder Kleinigkeit zu uns gelaufen
kommen. Setz dich. Der Arzt wird dich untersuchen, dann bekommst du
deine Medizin.«
Sie rief mit schriller Stimme: »Der Nächste!«, dann
warf sie einen Blick auf die große Wanduhr und murmelte etwas
vor sich hin.
Terens, Valona und Rik drängten sich vorsichtig durch die
Menge. Der Anblick ihrer florinischen Landsleute schien Valona die
Zunge gelöst zu haben, denn sie begann beschwörend zu
flüstern:
»Ich mußte Ihnen nachgehen, Schultheiß. Ich hatte
solche Angst um Rik. Ich hab gedacht, Sie bringen ihn mir nicht mehr
zurück, und…«
»Wie bist du überhaupt in die Obere Stadt
gekommen?« fragte Terens über die Schulter hinweg,
während er apathische Eingeborene zur Seite schob.
»Ich war hinter Ihnen und hab gesehen, wie Sie mit dem
Frachtaufzug nach oben fuhren. Als der Aufzug wieder runterkam, hab
ich gesagt, wir gehören zusammen, und dann hat mich der
Fahrstuhlführer hinaufgebracht.«
»Einfach so?«
»Hm. – Ein bißchen schütteln mußte ich
ihn schon.«
»Bei allen Kobolden von Sark!« stöhnte Terens.
»Es ging nicht anders«, verteidigte sich Valona
kläglich. »Dann hab ich gesehen, wie Ihnen die Gendarmen
ein Gebäude zeigten. Ich hab gewartet, bis sie weg waren, und
bin auch dorthingegangen. Nur hab ich mich nicht hineingetraut. Ich
wußte nicht, was ich tun sollte, also hab ich mich so lange
versteckt, bis Sie wieder rausgekommen sind und der Gendarm Sie
aufgehalten hat…«
»He, ihr da!« Das war die scharfe, ungeduldige Stimme
der Frau vom Empfang. Sie war aufgestanden und klopfte mit ihrem
Metallgriffel gebieterisch auf die Tischplatte. Die ganze Versammlung
verstummte. Nur schweres Atmen war zu hören.
»Ich meine die drei, die eben fortgehen wollen. Kommt her.
Ihr könnt nicht verschwinden, bevor ihr untersucht worden seid.
Glaubt ja nicht, daß ihr einen Arztbesuch vorschützen
könnt, um euch vor der Arbeit zu drücken. Kommt sofort
zurück!«
Aber die drei waren schon draußen im Halbschatten der
Unteren Stadt untergetaucht. Die Gerüche und Geräusche des
Eingeborenenviertels, wie die Sarkiten es nannten, umfingen sie. Die
Obere Stadt war nur
Weitere Kostenlose Bücher