Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
Aussagen eines Sterbenden, der sich – wenn man Dr. Arvardans Darstellung glauben kann – obendrein im Delirium befand, haben kein besonderes Gewicht. Ist das alles, was Sie haben?«
Arvardan schlug mit der Faust auf die Armlehne seines Sessels und brüllte: »Stehen wir hier vor Gericht? Hat vielleicht jemand gegen irgendwelche Verkehrsregeln verstoßen? Wir haben keine Zeit, jede Aussage auf die analytische Goldwaage zu legen oder mit dem Mikrometer auf ihre Beweiskraft zu prüfen. Morgen früh um sechs Uhr läuft die Frist ab, mit anderen Worten, wir haben noch fünfeinhalb Stunden Zeit, um diese beispiellose Gefahr zu entschärfen… Sie kannten Dr. Shekt doch schon vorher, Exzellenz? Haben Sie ihn jemals bei einer Lüge ertappt?«
Der Sekretär unterbrach sofort. »Niemand behauptet, daß Dr. Shekt absichtlich lügt, Exzellenz. Aber unser guter Doktor wird allmählich alt, und gerade in jüngster Zeit macht ihm das Näherrücken seines sechzigsten Geburtstags große Sorgen. Es steht zu befürchten, daß die Verbindung von Alter und Angst zu einer leichten Paranoia geführt hat, eine verbreitete Erscheinung hier auf der Erde. -Sie brauchen ihn doch nur anzusehen. Würden Sie sagen, er sei völlig normal?«
Natürlich war Shekt nicht normal, sondern am Ende seiner Nervenkraft. Die letzten Stunden und die bevorstehende Katastrophe hatten ihn zutiefst erschüttert.
Doch er nahm sich zusammen und sagte mit erstaunlich ruhiger Stimme: »Ich könnte darauf hinweisen, daß ich seit zwei Monaten rund um die Uhr von den Ahnen überwacht werde; daß man meine Briefe geöffnet und die Antworten darauf zensiert hat. Derartige Beschwerden würden allerdings mit Sicherheit als Symptome der Paranoia gewertet, die man mir unterstellt. Aber hier haben wir ja Joseph Schwartz, den Mann, der sich an dem Tag, als Sie, Exzellenz, mich im Institut besuchten, freiwillig als Versuchsperson für den Synapsifikator gemeldet hat.«
»Ich erinnere mich.« Innerlich war Ennius dankbar für den Themenwechsel. »Ist das der Mann?«
»Ja.«
»Die Behandlung scheint ihm nicht geschadet zu haben.«
»Ganz im Gegenteil, sie hat ihm genützt. Der Synapsifikator zeitigte bei ihm ganz ungewöhnliche Erfolge, denn er hatte von der Natur ein fotografisches Gedächtnis mitbekommen, was ich zum fraglichen Zeitpunkt allerdings nicht wußte. Jedenfalls ist sein Gehirn nun empfänglich für die Gedanken anderer Menschen.«
Ennius beugte sich weit vor und rief erschrocken: »Was? Soll das heißen, er kann Gedanken lesen?«
»Wir können den Beweis dafür antreten, Exzellenz. Und auch der Bruder wird die Behauptung wohl bestätigen.«
Der Sekretär warf Schwartz einen raschen Blick zu. In seinen Augen glühte der Haß, und seine Stimme zitterte kaum merklich, als er sagte: »Es ist richtig, Exzellenz. Dieser Mann verfügt über gewisse hypnotische Fähigkeiten, wobei ich nicht sagen kann, ob er sie dem Synapsifikator zu verdanken hat oder nicht. Ich möchte hinzufügen, daß die Behandlung nirgendwo registriert wurde, was, wie Sie mir sicher beipflichten werden, in höchstem Maße verdächtig ist.«
»Sie wurde deshalb nicht registriert«, bemerkte Shekt ruhig, »weil ich auf ausdrückliche Anweisung des Höchsten Ministers keinerlei Aufzeichnungen führen durfte.« Der Sekretär zuckte lediglich die Achseln.
Ennius wurde energisch: »Das kleinliche Gezänk bringt uns nicht weiter. – Was ist nun mit diesem Schwartz? Was haben seine Fähigkeiten als Gedankenleser, sein hypnotisches Talent oder was auch immer mit dem vorliegenden Fall zu tun?«
»Shekt wollte damit sagen«, warf der Sekretär ein, »daß Schwartz auch meine Gedanken lesen kann.«
»Tatsächlich?« Zum ersten Mal wandte sich der Statthalter direkt an Schwartz. »Nun, und was denkt er gerade?«
»Er denkt«, sagte Schwartz, »wir hätten keine Aussicht, Sie davon zu überzeugen, daß unsere Darstellung Ihres sogenannten Falles der Wahrheit entspricht.«
»Ganz richtig«, höhnte der Sekretär. »Allerdings braucht man für diesen einfachen, logischen Schluß wohl keine übersinnlichen Fähigkeiten.«
»Außerdem«, fuhr Schwartz fort, »hält er Sie für einen armen Narren, der jede Entscheidung scheut, nur seine Ruhe haben will und – törichte Hoffnung – glaubt, es genüge schon, gerecht und unparteiisch zu sein, um die Menschen der Erde für sich zu gewinnen.«
Der Sekretär wurde rot. »Das bestreite ich. Der Mann versucht ganz offensichtlich, Exzellenz gegen mich zu
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