Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)
unter Beschuss. Das hier ist wohl gemeint, wenn Politiker und Bundeswehrführung von der Übernahme der »Sicherheitsverantwortung « durch die Afghanen sprechen. Wir können das hören.
Irgendwann werden die Schüsse weniger. Nur noch vereinzelt knallt es. Dann merken wir, warum. Wir hören das Schlagen von Rotoren in der Nacht.
Dann der Funkspruch aus dem Gefechtsstand der Kompanie im Polizeihauptquartier: »Beleuchten einstellen. Die US-Kräfte haben ein Air Weapons Team in der Luft.«
»Zwei Apache-Kampfhubschrauber«, erklärt mir Schröder. »Die brauchen keine Beleuchtung, die sehen durch ihre Optik bei Nacht genauso gut wie am Tag.«
Die Aufständischen haben den Beschuss eingestellt.
Juwe Schröder kommentiert das für uns nicht sichtbare, nur hörbare Geschehen in der nun wieder komplett dunklen Ferne: »Die Talibs ziehen sich zurück.«
Gegen die modernen Kampfhubschrauber der Amerikaner haben die Aufständischen kein Mittel. Wir hören das Rattern der Bordkanonen. Dann weiter entfernt Explosionen. »Wahrscheinlich Raketen«, vermutet Chill.
Während unsere Gruppe zusammenpackt, hören wir weitere Explosionen. »Dort muss aber jetzt die Landkarte neu geschrieben werden«, sagt einer der Sanitäter.
Auch die anderen Soldaten freuen sich – nicht laut oder protzig –, aber man spürt die Genugtuung darüber, dass die Angreifer geschlagen wurden. Der Feind wurde von überlegenem US-Kriegsgerät in die Flucht geschlagen, vielleicht getötet. Möglicherweise hat die Beleuchtung der Soldaten den verbündeten Afghanen sogar geholfen, bis die US-Hubschrauber vor Ort waren. Schwer zu sagen, von der Höhe aus hat man nicht viel erkennen können.
Ich lege mich auf das Feldbett in unserem staubigen, mit Sandsäcken geschützten Unterstand. Mein Schlafsack dient nur als Matratze, es ist noch immer zu heiß für eine Decke. Ich liege auf dem Rücken und frage mich, ob es ein Problem ist, möglicherweise sogar verwerflich, dass sich die Soldaten über einen besiegten oder sogar getöteten Feind freuen?
Ich überlege. Angela Merkels erste öffentliche Reaktion auf die Erschießung von Osama Bin Laden durch US-Spezialeinheiten war der Satz: »Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten.« Dafür wurde sie kritisiert. Das Zusammenwirken der Worte Tod und Freude in einem Satz wurde in Deutschland als unpassend empfunden. Sie musste ihre Aussage umformulieren. Kritik berechtigt. Die Kanzlerin sollte sich nicht öffentlich über den Tod eines Menschen freuen. Selbst wenn es Osama Bin Laden ist.
Bei deutschen Soldaten in Afghanistan ist die Situation eine völlig andere. Sie sind jedes Mal, wenn sie das Feldlager verlassen, als mögliches Ziel der Aufständischen in Lebensgefahr. Und: Auch die Bundeswehr-Soldaten haben den Auftrag, den Feind zu vertreiben und zu bekämpfen, also im Ernstfall auch zu töten.
Körner hat mir dazu erklärt: »Wir dürfen schießen, wenn wir klar bedroht werden. Wenn wir merken, die kommen auf uns zu und sind bewaffnet. Dass sie halt als Feind aufgeklärt werden.«
Körner und die anderen Soldaten, mit denen ich auf der Höhe bin, haben in ihrer Ausbildung hauptsächlich gelernt, als Einheit so zu funktionieren, dass der Feind besiegt wird. Das heißt, im richtigen Moment, vom richtigen Punkt aus, im Zusammenwirken mit den anderen Soldaten, die verfügbaren Waffen einzusetzen, um den Feind zu vernichten. Gelingt dies, bedeutet das Erfolg für die Soldaten. In diesem Fall, heute Nacht also, wurde der Feind von verbündeten Einheiten zum Rückzug gezwungen, möglicherweise wurden auch Feinde getötet. Aus Sicht eines Bundeswehr-Soldaten hat die eigene Seite heute gewonnen. Das war ein Grund zur Freude. Ich finde die Reaktion der Soldaten nach kurzer Überlegung nicht verwerflich.
Warum mache ich mir darum also so einen Kopf?
Weil ich mich selbst ertappt habe. Ich selbst habe in dem Moment, als die Kampfhubschrauber anfingen, auf die Aufständischen zu feuern, ähnlich gefühlt wie die Soldaten. Auch ich habe einen kurzen Moment Genugtuung empfunden. Der Gedanke gefällt mir ganz und gar nicht. Ich schiebe ihn unters Feldbett und schlafe ein.
Am nächsten Morgen gehe ich rüber in den einzig kühlen Raum auf der Höhe 432 – den Gefechtsstand. Hans, der Gruppenführer der Sanitäter, hat von Schröder den Dienst am Funk übernommen. Schröder schläft nach der langen Nacht noch. Ich setze mich zu den anderen Soldatenzum Frühstück. Es gibt Erdnussbutter mit
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