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Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Titel: Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Schnitt
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in diesem halben Jahr verändern wird. Manche positiv, manche negativ. Und ich hoffe, ich verändere mich nicht so stark, dass es dann irgendwelche Probleme zu Hause gibt.«

Monotonie und Sockenwäsche
    Die Tage auf der Höhe sind heiß, trocken, und die Stunden ziehen sich – lang, zäh und quälend. Die Soldaten dämmern, über das Plateau verteilt, vor sich hin. Schröders Platz ist meist im Gefechtsstand. Alle 30 Minuten rauscht das Funkgerät, und die Wachposten melden sich aus ihren Verschlägen:
    »Gefechtsstand hier Süd. Ohne Meldung.«
    Kurz danach: »Gefechtsstand hier Nord. Ebenso ohne.«
    Es gibt einfach nichts zu melden. Die Stimmen der Soldaten tönen blechern aus dem Lautsprecher, ihr Angeödetsein höre ich trotzdem durch. Der Dienst auf der Höhe 432 ist gerade alles andere als spannend.
    Ich gehe rüber zur Südstellung und besuche Matthias Chill bei seiner Wachschicht im Morgengrauen. Er sitzt dort in Schutzweste, mit einer Zigarette im Mund, und schaut in die Landschaft. Auch ich muss hier die Schutzweste tragen. Die Umgebung wirkt zwar wenig bedrohlich – ein Bauer mit ein paar Ziegen, auf der Straße Kinder in bunten Gewändern –, aber die Weste ist hier auch für mich Vorschrift.
    Wie fühlt sich »Asterix« auf diesem abgelegenen Außenposten?
    »Du stumpfst einfach ab. Das ist so …« Er lehnt sich zurück, atmet tief durch.
    »… und du beobachtest und beobachtest, und die restliche Zeit … da schläfst du, isst du … rauchst du.«
    Er bläst den Rauch seiner Zigarette senkrecht in die Luft.
    »Wenn du hier acht Tage am Stück auf der Höhe bist, dann wird es auch so … bäähh … aber zwischenmenschlich, das haut schon hin.«
    In dem Moment betritt Daniel Wild die Stellung. Wachablösung.
    »Guten Morgen!«, begrüßt ihn Chill. »Du bist zehn Minuten zu spät.«
    Wild grinst: »Falsch. Sechs Minuten.« Richtig, es ist 5:06 Uhr.
    »Du holst aber trotzdem ’nen Cappuccino«, fordert Chill.
    »Der Cappu ist alle. Gibt nur noch normales Kaffeepulver aus dem EPa …«
    Chills Miene verfinstert sich. Wild lächelt gemein: »… den kann ich dir machen, mit Milchpulver … Magermilchpulver.«
    Chill winkt ab: »Also, es ist gar nichts los. In der Nacht habe ich ein paar Schüsse gehört. Wahrscheinlich Freudenfeuer. Bestimmt wieder eine Hochzeit oder so …«
    Wild übernimmt den Platz von Chill. Der zieht sich jetzt zum Schlafen in seinen Verschlag zurück.
    Ich bleibe neben Wild sitzen: »Das Einzige, was mich hier tierisch nervt …«, sagt er, »… wenn du hier duschen gehst und dann zwei, drei Meter läufst, bist du gleich wieder dreckig.« Pause. »Aber wenigstens seine Ruhe hat man hier.«
    Recht hat er. Ruhe, Stille, Weite, die hat man hier oben ohne Ende. Auf den Holzbalken auch hier im Gefechtsstand haben Soldaten Botschaften hinterlassen. Direkt über mir steht: »Noch 160 Tage … FUCK!«
    »Boah, das ist so langweilig. Das geht gar nicht«, stöhnt Wild.
    Er schaut sich um: »Nicht mal Bauern auf den Feldern. Oder ein kleines Kind mit seinen Ziegen. Oder Rinder.« Seine zwei Stunden Wachschicht verstreichen lähmend langsam und ohne das geringste Vorkommnis. Alle 30 Minuten meldet Daniel Wild per Funk an den Gefechtsstand: »Süd. Ohne Meldung.«
    Schröder liegt auf der selbstgebauten Hantelbank in der Mitte des Plateaus. Wieder und wieder drückt er die Gewichte über seinen Oberkörper. Dann hat er sein morgendliches Training abgeschlossen. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn, setzt sich auf die Bank.
    Wie läuft es bei ihm zu Hause?
    Schröder lächelt: »Meine Tochter macht Fortschritte, sie kann sich jetzt schon alleine hochziehen. Und vier Zähne hat sie oben bekommen.«
    Wenn Juwe von seiner Tochter spricht, sind Ernsthaftigkeit und Anspannung aus seinem Gesicht wie gelöscht. Wenn er wie jetzt auf der Hantelbank sitzt und von der Kleinen erzählt, spricht nicht der Gruppenführer, nicht der Oberfeldwebel der Bundeswehr, sondern nur noch der stolze Papa. Einer, der seine Tochter vermisst. Zwei Monate ihres Lebens hat er schon verpasst. Als Schröder nach Afghanistan flog, war Lotta acht Monate alt.
    »Die Zähne, das Krabbeln, das Hinsetzen, das Hochziehen. Wenn man das alles verpasst, fühlt sich das natürlich ganz schön Scheiße an. Aber durch solche Sachen wie Skype habe ich sie jetzt schon krabbeln sehen – live – mit einer Fünf-Sekunden-Verzögerung …«
    Schröder stockt kurz. Guckt über den Außenposten, als müsste er sich wieder

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