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Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Titel: Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Schnitt
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zwei Kampfhubschrauber, um die Bundeswehrsoldaten aus der Luft zu sichern. Während Isensee funkt, kommen wir am Rand von Isa Khel an. Es bietet sich ein fast idyllisches Bild. Vor uns ein hellblaues Gebäude, davor und daneben Kinder. Ein etwa fünfjähriges Mädchen in einem rotgepunkteten Schlafanzug hängt entspannt zwischen zwei Bäumen und beobachtet ohne Scheu die schwer bewaffneten Ankömmlinge.
    Über Funk kommt aus dem Gefechtsstand die Antwort auf Isensees Meldung: »Wir haben das nicht bestätigen können. Ist jetzt schwierig zu sagen, ob’s stimmt oder nicht. Wir schlagen vor, die weiter mitzunehmen. – Kommen.«
    Isensee: »Für euch wichtig: Das ist, wie gesagt, der LSF-Führer. Wir halten den zunächst mal in der Überwachung. Vielleicht kümmert sich die ANA ja drum, wenn wir durch sind. Kommen.«
    Es ist deutlich zu spüren, dass Isensee die Situation überhaupt nicht gefällt. Aber mehr als das Erfahrene melden kann er nicht tun. Die Abschuss-Stelle wurde von den EODs kurz vor dem Dorf ausgemacht. Der Boden war verbrannt, eine Vorrichtung zur Stabilisierung der Rakete haben die Sprengstoff-Experten auch gefunden.
    Wir machen Rast vor dem hellblauen Haus. Schellenberger und der Polizeichef stehen mit dem Besitzer des Compounds zusammen. Es sind seine Kinder, die hier draußen spielen und jetzt aufgeregt zwischen den Soldaten hin und her laufen, um Kekse oder Schokolade abzustauben.
    Der Kommandeur der Task Force und der Chef der afghanischen Polizei hatten sich schon vor der Operation geeinigt: Die afghanische Polizei soll hier für ein paar Wochen Stellung beziehen, um weiteren Beschuss auf das Feldlager zu verhindern. Schellenberger schlägt vor, dass dem Hausbesitzer eine Entschädigung bezahlt wird, der Polizeichef möchte die Angelegenheit »auf afghanische Art« klären. Was auch immer das heißt. Der junge Kompanie-Chef weist seinen Sprachmittler an zu übersetzen: »Sag ihm, mir ist wichtig, dass wir uns hier keine Feinde machen. Die Sache soll sauber geklärt werden.« Der Polizeichef nickt, ist aber nicht besonders überzeugt. Schellenberger wirkt frustriert. Aber auch das ist Teil der neuen Strategie, nach der die Afghanen möglichst viel selber und unter sich klären sollen.
    Nachdem alle Deutschen eine Flasche Wasser und die Afghanen eine Tasse Tee geleert und geraucht haben, geht es weiter. Wir laufen durch die engen Gassen von Isa Khel. Alles wirkt auf den ersten Blick friedlich. Wir hören die Kampfhubschrauber und die Überwachungsdrohne über uns kreisen; das vermittelt eine gewisse Sicherheit. Dennoch bewegen die Soldaten sich nur Schritt für Schritt voran. Der Blickwinkel ist eingeschränkt, hohe Lehmmauern links und rechts. An jeder Seitenstraße wird zunächst ein Soldat zur Überwachung postiert, ehe die anderen vorbeimarschieren.
    Die Straßen sind auffällig leer, die Geschäfte geschlossen, die Fenster und Türen der Häuser verriegelt. In Isa Khel hat die Bundeswehr keine Freunde. Als wir bei dem Compound ankommen, der durchsucht werden soll, sind die EODs mit ihren Such-Sonden schon bei der Arbeit. Zwei sind im Viehstall, einer hängt kopfüber in einem Weizenlager. Die Suche ist bisher ohne Fund. Im Hof des Compounds sitzt ein alter Mann. Hauptmann Paul, der Nachrichtenoffizier mit dem dicken Goldring, befragt ihn. Ein paar Kinder stehen auf dem Hof herum.
    »Wer hat die Raketen abgeschossen?«, soll Pauls Sprachmittler übersetzen. In Paschtu fragt der den alten Mann. »Er weiß es nicht«, sagt er zu Paul. »Die Raketen wurden vor seinem Haus abgeschossen. Das weiß der doch! Er wohnt hier im Dorf, da weiß man alles.« Der Übersetzer spricht zu dem Mann, der nun lauthals auf Paschtu zetert, sich wohl beklagt. »Er sagt, er weiß nichts. Die Taliban kommen nachts. Dann traut er sich nicht raus. Er fragt, was wir von ihm wollen. Er sei nur ein alter Mann.«
    Hauptmann Paul scheint nicht zufrieden. »Ja, ja, ja. Er weiß nichts und ist ein alter Mann. Frag ihn, ob er allein hier ist, wo seine Söhne sind.«
    Wieder geht es hin und her. »Seine Söhne sind nicht hier. Die sind in Pakistan.«
    »Aha. Was machen die denn in Pakistan?«
    »Er sagt, sie wollen heiraten und suchen in Pakistan eine Frau.«
    »Ja, ganz bestimmt. Ich glaub dem kein Wort! Frag ihn, warum die Geschäfte alle geschlossen haben?«
    »Er sagt, weil die Menschen Angst vor uns haben.«
    »Und warum haben sie Angst?«
    Aus dem alten Mann ist nichts mehr rauszuholen. Seine Abneigung gegen die Fremden,

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