Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)
halten. Jeder ist verdächtig, nach wie vor. Nur dass wir uns daran gewöhnt haben. Aber auf meinen Totti passe ich gut auf.
◆ Wie gehst du um mit der unterschwelligen Dauerbedrohung?
Die ist da, aber das ist ein normales Ding geworden. Wir leben damit. Und so, wie wir vorgehen, ist das schon eine sichere Methode. Sicherer kann man das nicht machen. Wir fühlen uns denen überlegen, gerade weil die Talibs sich nicht zeigen.
◆ Welche Erfahrungen nimmst du für dich mit nach Hause?
Ich bin mit vier Kerlen zusammengewachsen. Ich hab gesehen, wie Orte auf der Welt sein können. Wie gut ich es habe. Den Einsatz möchte ich nicht missen.
◆ Wie ist es für dich auf dem Dingo Foxtrott 4?
Bei uns ist es harmonisch. Witze gehören mit dazu. Ohne Lachen geht es nicht. Man muss sich positive Sachen rausziehen. Ansonsten merkt man schon, man ist leicht reizbar. Bei jedem ist das so, das ist normal. Wir wollen alle nur noch nach Hause.
◆ Hattest du mal einen toten Punkt? Erinnerst du dich an die Situation?
Keine Situation, das war ein schleichender Prozess. Das kommt nach und nach. Da ist kein Punkt, wo man sagt, ab da habe ich keinen Bock mehr. Das passiert mit der Zeit, in der Einsatzlage, die anspruchsvoll ist. Da baut man immer mehr ab.
◆ Deine schwersten Momente im Einsatz?
Jede Patrouille, die ein bisschen länger ist.
◆ Wo hattest du Angst, wo ging der Puls hoch?
Solche Momente gab es viele. Da fällt ein Schuss – und schon geht der Puls nach oben. Und es hat oft geknallt. Die ANA schießt einfach viel rum.
◆ Wie ist die Stimmung bei dir zu Hause?
Bei meiner Freundin ist sie angespannt. Sie hört viel. Ich gehe offen und ehrlich mit ihr um: Ist was gewesen, erzähle ich es ihr. Es gab einige Situationen, wo wir zwar involviert waren, aber eben nicht unmittelbar. Die Medien berichten nicht immer exakt. Von daher ist die Stimmung bei ihr angespannt, aber es läuft. Ich kann nicht meckern.
◆ Was erzählst du zu Hause über Afghanistan?
Viel Gutes kann ich nicht sagen. Das Land ist zurückgeblieben. Das Land ist primitiv. Die Menschen sind primitiv. Sind ungebildet und wahrscheinlich auch durch den Glauben noch eingedämmter. Wenn ich Afghanistan beschreibe, ist das ein Drecksloch, wo man nicht viel helfen kann. Wir machen hier unseren Job. Wenn wir abziehen, dann geht das hier den Bach runter. Die sind hier so wechselhaft, hier ist so viel Korruption. Wenn wir weg sind, greift der Taliban wieder nach der Macht. Dann laufen die ANA oder ANP nach und nach über, und alles, was wir hier aufgebaut haben, geht zugrunde.
Ende einer Grillparty
Als »Mutter der Kompanie« kennt der Spieß sich aus mit den Stimmungsschwankungen unter den Soldaten. Im Moment wäre »ernüchtert« als allgemeine Lagebeschreibung noch geschönt ausgedrückt. Also hat Spieß Icks für den Abend Grillfleisch im PHQ auffahren lassen. Heute kein Fertigessen aus dem EPa und auch kein experimentelles Kochen durch einen der Kameraden. In den meisten Fällen ist das EPa dann doch noch besser, so meine Erfahrung. Nudeln mit Bohnen-Zwiebelsuppen-Soße sind nicht mein Ding …
Heute also gutes deutsches Grillgut: Bratwurst und Schweinenackensteaks.
In der Dämmerung leuchtet das Grillfeuer im Innenhof des Polizeihauptquartiers. Die Soldaten scharen sich zusammen und juckeln erwartungsvoll auf ihren Bänken um das Grillfeuer, bis der Spieß die erste Runde Würstchen einläutet.
Der Lärmpegel steigt: Es wird gelacht, geredet und geraucht. Zu trinken gibt es Coke Zero und 7UP. Es ist eine Weile her, dass die Jungs so gut drauf waren. Es braucht nicht mehr viel, um ihre Stimmung zu heben. Ihr Held des Tages beziehungsweise der Nacht: eindeutig Spieß Icks.
Matthias Chill, Daniel Wild und Thorsten Körner sitzen auf ihrer Bank, das erste Nackensteak auf dem Teller. Schröder und Sebastian Bachert kommen dazu, alle miteinander stopfen sie gut gelaunt das brutzelige Fleisch in sich hinein. Bachert hat sich über den Sprachmittler noch ein paar Tomaten, Zwiebeln und Fladenbrot vom Händler um die Ecke kaufen lassen. So gibt es jetzt die afghanische Version von Bruschetta. Es geht uns verdammt gut. Nur dass Schröders Funkgerät sich ausgerechnet jetzt meldet, stört etwas.
Gerade will Bachert sich für eine zweite Ration am Grill anstellen, da ruft Schröder ihm zu: »Du musst mit deinem Beleuchtungstrupp raus! Ihr sollt Illum schießen. Irgendwas ist auf der LOC Cherry (Verbindungsstraße nahe des PHQ)!«
Im Laufschritt wirft
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