Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)
die seinen Hof durchsuchen, sein Vieh verscheuchen und ihm unangenehme Fragen stellen, ist deutlich spürbar.
Die EODs finden auch nach längerer Suche nichts auf dem Hof. Die Soldaten verteilen noch ein paar Tennisbälle an die Kinder. Hauptmann Schellenberger ruft zur Eile: »Das Air Weapons Team hat nur noch 30 Minuten Playtime. Ich will hier raus sein, bevor die weg sind.«
Ohne die gefürchteten Apache-Kampfhubschrauber in der Luft würden die Aufständischen vielleicht doch noch einen Angriff wagen. Wir machen uns zügig auf den Weg. Der Rückmarsch zur Höhe 432 ist anstrengend. Die Sonne steht im 90-Grad-Winkel über uns, wir schwitzen unter unseren Helmen, man spürt jetzt jedes Gramm der 18-Kilo-Schutzweste auf den Schultern.
Als wir am frühen Abend im Feldlager zusammensitzen, frage ich Chill noch mal nach den LSF-Kräften. Auch er hat das Gerücht gehört, die LSF-Afghanen hätten die Rakete aufs Feldlager geschossen. 300 Meter neben unseren Träumen.
»Asterix« Chill ist stinksauer: »Vor nicht mal einem halben Jahr oder vielleicht ein bisschen länger wurden deutsche Soldaten von solchen Typen noch beim Kettenklopfen abgeknallt. Das muss erst wieder passieren und noch mal passieren und noch mal passieren! Dann haben sie es vielleicht gelernt. Keine Ahnung.«
Dann setzt er hinzu: »Ich hab schon auch mal Momente, wo ich mich frage, warum bin ich eigentlich hier. Ich denke, das hat jeder Soldat erlebt. Das passiert in Augenblicken, wo man unter Stress steht. Unter richtig viel Stress. Wenn es nicht so läuft, wie man sich das eigentlich wünscht. Aber so ist das halt hier.«
Teamarbeit mit Blechkuchen
Nach der Operation in Isa Khel haben die Soldaten ein paar Tage »Freizeit« im Feldlager. In diesen Phasen steht für sie nur die Nachbereitung der Fahrzeuge und die Vorbereitung auf die kommende Raumverantwortung an. Ansonsten: Essen, schlafen, abhängen, Sport. In der modernen Kantine – O-Ton Daniel Wild »die modernste Küche Afghanistans« – gibt es drei »richtige« Mahlzeiten pro Tag. Das Essen ist zwar Kantinen-Nahrung, aber sehr anständig, dazu gibt es eine große Salatbar und immer mehrere Sorten Früchte zur Auswahl. Feldlager-Phasen sind für die Soldaten der Task Force absoluter Luxus, vier Sterne mindestens. Deshalb werden sie auch ziemlich ungehalten, wenn die »Drinnis« – Soldaten, die das Feldlager nicht verlassen – sich über die harten Umstände in Afghanistan beschweren. Beim schon erwähnten Kiosk – dem Marketender, auch »Douglas Kunduz« genannt – kann man sich obendrauf mit Süßigkeiten und Softdrinks eindecken. Das Feldlager hat ein gut ausgestattetes Fitness-Studio, das ausgiebig genutzt wird. Es gibt ja sonst wenig anderes zu tun. Die Stimmung der Soldaten nach ein paar Tagen im Feldlager: entspannt bis heiter.
Die Jungs von Foxtrott 4 sitzen auf dem Gang ihres Wohnkomplexes auf dem Boden. Alle haben sie ihre Laptops aufgeklappt. Seit Kurzem gibt es W-LAN im Feldlager.
Körner fragt Wild: »Und was machst du?«
Wild chattet gerade über Skype mit einer neuen Flamme:
»Ich höre jetzt auf. Weil sie endlich mal ein Ende gefunden hat.«
Körner lacht. Wild öffnet ein kleines Computerprogramm. Auf dem Schirm erscheint eine nackte, vollbusige Blondine. Allerdings ist sie in Teilen verdeckt, so dass man die »sensiblen« Bereiche nicht sehen kann. Noch nicht.
Wild erklärt: »Das ist mein Motivator für den Einsatz. Der zeigt an, wie viele Tage ich schon hier bin und wie lang es noch dauert, bis ich wieder nach Hause darf. Außerdem zeigt er an, wie viel AVZ (Auslandsverwendungszuschlag – für Afghanistan 110 € pro Tag)ich schon verdient habe. Am Tag der Abreise ist die Dame dann unverhüllt.« Vorfreude auf den Heimflug – in doppelter Hinsicht.
27. Geburtstag von Jan-Uwe Schröder
Wir sitzen im Besprechungszelt des Foxtrott-Zuges. Heute findet hier keine Befehlsausgabe statt, heute wollen die Soldaten Schröders Geburtstag feiern. Der hat ein gelbes Postpaket aus der Heimat vor sich und prüft mit sichtlicher Freude den Inhalt. Nichts Schöneres gibt es für die Soldaten als »Feldpost« von zu Hause – gerade am Geburtstag.
Ganz oben im Paket ein Umschlag mit Fotos und der großen Aufschrift: »Happy Birthday, Juwe«.Juwe guckt und sagt mit gespielt norddeutschem Einschlag in die Runde: »Schöööne Bilder aus der Heeeeimaaat. Von Mama und Papa.«Dazu zieht er das passende Foto seiner Eltern hervor. Ein freundlich aussehendes Paar mittleren
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