Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)
sich Bachert die Schutzweste über, greift nach seinem Funkgerät. Unten herum trägt er noch Adidas-Sporthose und Turnschuhe. Bundeswehr ganz unkonventionell.
Als ich auf dem Parkplatz des PHQ ankomme, kracht es schon höllenmäßig. Ein orangefarbener Feuerball steigt in den Nachthimmel. Bachert weist seine Gruppe an:
»Drei, zwei, eins, Feuer!«, und wieder kracht es – und es klirrt. Die Druckwelle hat die Fenster des afghanischen Polizeihauptquartiers bersten lassen. Verdutzte Polizisten strecken die Köpfe aus den scheibenlosen Fenstern. Sie hatten wohl schon geschlafen.
Bachert gibt seinen Soldaten den Befehl, den nächsten Abschuss vorzubereiten. Munitionskisten werden herangeschleppt. »Das wird mit einem Schuss nicht vorbei sein«, sagt er und erklärt, warum: »Auf der Cherry sind gerade welche dabei, IEDs zu verbuddeln. Vermutlich. Der Fennek (Spähwagen mit moderner Beobachtungs- und Aufklärungssensorik) steht in Stellung, die Scharfschützen sind oben auf dem Turm. Und wir schießen jetzt gleich als ›Show of Force‹ Leuchtmunition. So dass die wissen, wir sind da.«
Wieder kracht ein Illum-Leuchtgeschoss in die Nacht. Eine Kolonne Eagle-Jeeps fährt auf den Parkplatz. Geblendet von den Scheinwerfern können wir nur umrissartig erkennen, wer da kommt. Bundeswehr-Kräfte. Aber keine regulären. »Der südbayerische Wanderverein«, sagt Bachert und meint damit die Spezialkräfte des KSK (Kommando Spezial-Kräfte, in Kunduz als Task Force 47) . Was die hier machen und ob es mit den IED-Buddlern zusammenhängt – wir wissen es nicht.
Bacherts Soldaten öffnen weitere Holzkisten mit den unterarmgroßen Leuchtgeschossen. Aus Bacherts Funkgerät rauscht es. Es sind die Scharfschützen, die auf dem Wachturm Stellung bezogen haben. Sie beschreiben, was sie vor Ort sehen: »Da guckt teilweise nur der Kopf raus, wahrscheinlich traut der IED-Buddler sich nicht. Des Weiteren hat die Bevölkerung das jetzt mitgekriegt und hat ebenfalls kurz mal geguckt. Sind aber wieder ausgewichen. Die Personen, wie schon gesagt, noch vor Ort.«
Der Ton der Scharfschützen am Funk wird zunehmend gereizter. Sie sind sich sicher, dass die Personen, die sie klar und deutlich in ihren Visieren haben, Aufständische beim Vergraben von IEDs sind. Sie wollen sie bekämpfen. Doch der Befehl kommt nicht. Auf den Hinweis: »Wir haben ein klares Schussfeld« nur ein donnerndes Schweigen. Und der Befehl, noch eine Illum abzuschießen. Offensichtlich will man die Männer beim Graben nur stören, sie nur zum Abhauen bewegen.
Wie befohlen schießt Bacherts Trupp noch eine Illum ab. Es kracht, raucht und staubt. Dann über Funk die Meldung der Scharfschützen: »Lageinformation: Person ist ausgewichen, Person ist ausgewichen.« Es klingt frustriert.
Kurz darauf sitzen wir wieder zusammen am Tisch. Schröders Theorie zu den IED-Buddlern bezieht sich sicherlich auch auf die Erfahrung in Isa Khel: »Die haben ja alle Geld gekriegt, die LSF-Typen. Jetzt können sie sich wieder ein bisschen was einkaufen.«
Zum Frust der Scharfschützen erklärt mir Bachert: »Klar, das waren zu 90 Prozent Aufständische, die dort ein Ei hinlegen wollten. Aber wir müssen eben 100 Prozent – eigentlich 110 Prozent – sicher sein.« Sonst gibt es ein Drama. Und nichts ist schlimmer, als den Falschen zu töten.
Sebastian Bachert weiß, wovon er spricht. Als am Karfreitag 2010 in Isa Khel die drei Bundeswehr-Soldaten starben, war er dabei. Nicht bei dem angegriffenen Zug in Isa Khel, sondern als Teil der nachrückenden Verstärkung. Er war damals als Scharfschütze in Kunduz.
»Wir haben mit unseren Fahrzeugen einen Road Block (Straßensperre) gebildet. Alle wussten, was in Isa Khel passiert war. Dementsprechend angespannt waren wir.« Er spricht so flüssig, dass ich den Eindruck habe, Bachert hat über diesen Vorfall schon mehrmals gesprochen. Wahrscheinlich im Rahmen einer psychologischen Nachbereitung. Aber es fällt ihm immer noch nicht leicht.
»Es war gegen 19:30 Uhr, und es wurde dunkel. Da kommt ein Pick-Up auf den Road Block zugefahren. Auf der Ladefläche sitzen Bewaffnete. Wir hatten alle die Funkmeldungen zu den Gefallenen in Isa Khel im Kopf. Wir haben Stopp-Zeichen gegeben, die Signal-Pistole abgeschossen. Aber der Pick-Up hält nicht an! Dann kam der Feuerbefehl an den Marder.«
Bachert schaut sich kurz um. Schröder als Vertrauter von Bachert kennt die Geschichte. Die anderen Jungs von Foxtrott 4 nicht.
»Ja, und die 20-mm-Kanone des
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