Fränkisch Schafkopf
angebracht. Aber sie nahm sich fest vor, sich gegenüber ihrer Kollegin nicht mehr so gehen zu lassen. SchlieÃlich war diese die Einzige, die ihr noch verblieben war, die Einzige, auf deren Hilfe und Mitarbeit sie setzen konnte.
SchlieÃlich hielt ihr Eva Brunner den Hörer hin, aus dem unablässig das Freizeichen zu hören war. Sie legte auf und sagte, um Freundlichkeit bemüht: »Das macht nichts. Wir fahren trotzdem hin. Wenn Sie möchten, können Sie gerne fahren. Das wäre mir sogar lieber.« Sie wusste, dass Eva Brunner gern Auto fuhr, vor allem die polizeieigenen BMW .
Nach dem umgehend vorgenommenen Fahrerwechsel konzentrierte sie sich auf die bevorstehende Befragung. Karl Weberknecht war der einzige Zeuge, auf den sie derzeit zurückgreifen konnte â und damit ihre wichtigste Informationsquelle. Sie würde alles aus ihm herauszuquetschen versuchen, was er über diese Schafkopfrunde wusste. Ãber Jakobsohn und vor allem über dessen Verhältnis zu Heinrich. Sie versprach sich von dem Gespräch viel.
Kurze Zeit später parkte Eva Brunner den Wagen in der RoritzerstraÃe ein und wies dann auf ein schmuckloses Mehrfamilienhaus zu ihrer Linken. »Da ist es. Hier wohnt Weberknecht.«
Zunächst schien es so, wie Eva Brunner vorausgesagt hatte: Das Läuten blieb ohne Erfolg, »ihre wichtigste Informationsquelle« war wohl nicht daheim. Doch dann, nachdem Paula es nochmals und wieder und wieder versucht hatte, sprang die Haustür auf.
Schweigend stiegen sie in die oberste Etage. Dort wurden sie von einem schmalen Mann â ungefähr in Paulas Alter, unrasiert, bettwarm â erwartet. Cargohosen, blaues T-Shirt, dunkelbraune, lockig kinnlange Haare, groÃe Augen von einem so tiefen Blau, dass sie in dem düsteren Hausflur funkelten wie zwei lupenreine Saphire. Es war diese seltene und aparte Kombination der fast schwarzen Haare, zu diesen leuchtend blauen Augen, die Paula ein entzücktes Lächeln auf die Lippen zauberte.
Als Weberknecht dieses Lächeln charmant erwiderte, sah sie seine strahlend weiÃen Zähne aufblitzen. Ein wirklich gut aussehender Mann, der sich seiner Wirkung auf Frauen bewusst zu sein schien und der dennoch nicht herablassend oder überheblich wirkte. Ein Mann, der sicher kein Foto von einer jungen Thailänderin in seinem Geldbeutel verwahrte.
Sie nannte ihm ihren Namen und Dienstrang. Die tiefblauen Augen weiteten sich, das Lächeln erstarb. »Sind Sie sicher, dass Sie zu mir möchten?«, fragte er mit heller dünner Stimme, die sie befriedigt zur Kenntnis nahm. Wenigstens einen Makel hatte dieses Prachtexemplar von einem Mann.
»Ich fürchte, ja, Herr Weberknecht«, antwortete sie.
Daraufhin wurden sie eingelassen und in ein Wohnzimmer geführt, das mit Spanholzmöbeln und drei Birkenfeigen sparsam eingerichtet war â und in dem die Rollläden noch heruntergelassen waren. Weberknecht bot ihnen einen Platz an dem groÃen Tisch an, zog die Läden bis zur Fenstermitte hoch und setzte sich ihr gegenüber. Das wenige Licht, das ins Zimmer fiel, kam von hinten, sodass sein Gesicht nahezu ganz im Schatten lag. Nur die blauen Augen leuchteten.
»Wissen Sie schon von dem Mord an Herrn Jakobsohn?«, begann sie ohne Einleitung. Weberknecht schüttelte stumm und fragend den Kopf. In knappen Worten berichtete sie ihm von den Ereignissen in der SpenglerstraÃe. Dann wartete sie auf eine Reaktion.
Sie sah Schock und Ungläubigkeit in seinen Augen. Abwehrend verschränkte er die Arme vor der Brust, und in seinem Gesicht arbeitete ein stummer Protest gegen ihre Nachricht.
»Der Ulli tot? Das kann nicht sein. Das glaube ich einfach nicht.« Er sah sie ablehnend an, stand auf und stellte sich mit dem Rücken zu seinen Gästen ans Fenster.
»Das ist bestimmt eine Verwechslung. Nein, das kann nicht stimmen. Ulli kann nicht einfach von heut auf morgen ⦠Und auÃerdem gibt es dafür auch keinen Grund, wirklich keinen, das â¦Â«
Sie lieà ihm Zeit, sich mit dem Ungeheuerlichen vertraut zu machen.
Als er sich ihnen mit starrem Blick wieder zuwandte, sah sie, wie sich eine Träne aus seinem rechten Auge löste und die Wange herunterkullerte.
Sie erzählte ihm auch von Heinrich, von der Tatwaffe, die dieser in der Hand gehalten hatte, als man ihn ohne Bewusstsein fand. Und von der medikamentös herbeigeführten
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