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Fränkisch Schafkopf

Fränkisch Schafkopf

Titel: Fränkisch Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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von seinem Äußeren so überrascht, dass sie, statt sich vorzustellen, ihn sekundenlang anstarrte. Eigner trug eine hellgraue Stoffhose, ein beigefarbenes Nylonhemd, darüber einen selbst gestrickten hellbraunen Pullunder und ausgetretene graue Filzschuhe. Doch das Auffälligste an ihm war neben der faden altbackenen Kleidung seine Körpergröße, er musste mindestens einen Meter fünfundneunzig sein und überragte sie damit um knapp zwei Kopflängen.
    Â»Sie sind doch von der Polizei, oder?«
    Â»Ja, Hauptkommissarin Steiner«, antwortete sie schnell und zog ihren Ausweis hervor.
    Doch Eigner winkte ab. »Ich glaube Ihnen auch so. Meine Putzfrau hat mir schon gesagt, dass Sie heute Abend wiederkommen werden. Aber bitte, kommen Sie doch herein.«
    Er trat einen Schritt auf sie zu und reichte ihr die Hand. Es war ein schlaffer Händedruck. Hüftlahm schritt er, mit der schwerfälligen Grazie königlicher Hofbeamter, vor ihr ins Haus.
    Sie folgte ihm in ein großzügig geschnittenes Wohnzimmer, in dem, wie bei seiner Kleidung, seit den sechziger Jahren die Zeit stillgestanden zu sein schien. Das Zentrum des Raums bildete eine hässliche wuchtige Couchgarnitur: ein dunkelrotes Samtsofa und zwei tiefe Sessel gleicher Farbe, die durchgesessen waren. Davor stand auf gepflegtem, frisch geöltem Stäbchenparkett ein Beistelltisch aus handgeschmiedetem Eisen mit braun gesprenkelten Kacheln. Ein Klavier, eine weitere Sitzgruppe und ein Bücherregal, alles aus Eiche massiv und stellenweise fleckig, ergänzte diese Möblierung, die Eigner von den Vorbesitzern des Bungalows übernommen haben musste.
    Â»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?« Er ließ sich auf das schwere Sofa plumpsen.
    Sie lehnte dankend ab und nahm ihm gegenüber auf dem Sessel Platz. Nachdem sie Stift und Notizblock auf den Kachelcouchtisch gelegt hatte, fragte er: »Sie kommen sicher wegen des Mordes an Ulrich?«
    Â»Woher wissen Sie das?«, lautete ihre Gegenfrage.
    Â»Der Karl, also Herr Weberknecht, hat es mir vorhin am Telefon gesagt.«
    Â»Aha. Im Zuge der Ermittlungen befragen wir natürlich alle Personen, die Herrn Jakobsohn kannten. Eine davon sind Sie. Wie gut kannten Sie Herrn Jakobsohn?«
    Â»Gut, aber nicht sehr gut. Auf jeden Fall nicht so gut wie der Karl. Wir haben uns eigentlich nur zu den Kartelabenden gesehen. Das aber ziemlich regelmäßig. Jeden Samstagabend, bis auf die Ferienzeit und die Feiertage.«
    Â»Darüber hinaus trafen Sie sich nicht mit ihm?«
    Â»Nein.« Eigner schien nachzudenken. »Jetzt, wo Sie mich fragen, überrascht es mich selbst. Wir haben uns außerhalb dieser Abende und außerhalb Ullis Wohnung nie gesehen. Kein einziges Mal.«
    Sie überlegte. War das glaubhaft, diese zweckmäßige, streng nach Stundenplan getaktete Geselligkeit? Ja, doch, warum denn nicht?»Wo waren Sie am vergangenen Samstagabend von neunzehn Uhr fünfzehn bis zwanzig Uhr fünfzehn?«
    Â»Das hab ich mir schon gedacht, dass Sie nach meinem Alibi fragen werden«, antwortete er, wieder mit diesem breiten Lächeln. »Hier war ich, leider allein. Das ist kein gutes Alibi, oder?«
    Â»Ach«, winkte sie ab, »die wenigsten haben für die jeweilige Tatzeit ein Alibi parat. Das hat nichts zu heißen. Da müssen Sie sich keine Gedanken machen. Sie leben allein hier?«
    Â»Ja«, antwortete Eigner und sah dabei konzentriert auf seine Fingernägel, die erstaunlich lang waren, »ich bin nicht verheiratet. Und ich habe auch keine Freundin. Nicht mehr. Schon seit Jahren nicht. Spielt das eine Rolle?« Sein Lächeln wurde schmaler und eine Spur überheblich.
    Â»Aber nein«, sagte sie und bedauerte ihre Frage, die sie ausschließlich der Neugierde halber gestellt hatte. Ȇberhaupt nicht.«
    Ursprünglich hatte sie vorgehabt, ihn, den sie sich in keinem Beruf vorstellen konnte, nach seiner Profession zu fragen. Auch nur der Neugierde halber. Doch nach dieser Bloßstellung war ihr die Lust darauf vergangen. Stattdessen sagte sie: »Schade, dass Sie Herrn Jakobsohn so wenig kannten. Dann können Sie mir sicher auch niemanden nennen, der ihm feindlich gesonnen war. Oder der zumindest in letzter Zeit Ärger mit ihm hatte. Oder doch?«
    Â»Nein, leider nicht. Und ich kann mir auch niemanden vorstellen, der … Ich weiß nicht. Vielleicht, dass …« Eigner zögerte,

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