Fränkisch Schafkopf
oder mit moralischer Entrüstung überschütten. Das wollte sie nicht, also entschied sie, die Reise inklusive des pikanten Details für sich zu behalten. SchlieÃlich spielte beides ja keine Rolle bei den Ermittlungen. Und wenn, dann nur eine kleine. Keine groÃe. Oder?
Kurz darauf betrat sie ihr Büro. Es war leer. Auf ihrem Schreibtisch lag ein DIN -lang-Vordruck des Präsidiums, mit dem Eva Brunner ihr »zur Kenntnis« gab, dass sie um acht Uhr zehn zur »Befragung/Harrer, Tobias + Harrer, Sebastian« gefahren sei. Oh, diesen Termin, für den sie gestern noch so voller Lob gewesen war, hatte sie ganz vergessen. Also würde es nichts werden mit der sequenziellen Tathergang-Rekonstruktion in vollzähliger Kommissionsstärke. Sie überlegte einen Moment, riss dann die Fotos von der Pinnwand, packte aus dem Aktenschrank noch dies und das in ihre Tasche und verlieà wenig später das Präsidium.
Heinrich erwartete sie bereits vor der Haustür. Sie winkte ihn zu sich. Kaum hatte er auf dem Beifahrersitz Platz genommen, fauchte sie ihn an.
»Du musst doch von allen guten Geistern verlassen sein! Ich hatte dir ausdrücklich gesagt, dass du in der Wohnung auf mich warten sollst. Ist das zu viel verlangt, dass du dir das von jetzt auf gleich merkst? Oder bist du da im Krankenhaus total verblödet? Dass du dir die primitivsten Dinge nicht mehr â¦Â«
Bevor sie fortfahren konnte, legte er beschwichtigend die Hand auf ihren rechten Unterarm.
»Was regst du dich denn so auf, Paula? Es ist doch nichts passiert. Ich glaube, du siehst schon Gespenster.«
»Und der Mann im Krankenhaus, von dem wir nicht wissen, wer er war, der sich an den Apparaturen zu schaffen gemacht hat, ist der auch ein Gespenst? Oder wie siehst du das?«
Bevor Heinrich darauf antworten konnte, hupte es hinter ihnen hektisch. Paula blickte in den Rückspiegel und sah einen Mann mittleren Alters, der ihr wild gestikulierend zu verstehen gab, sie solle endlich wegfahren. Ein Geschenk des Himmels, genau im richtigen Augenblick.
Langsam stieg sie aus und schlenderte ebenso gemächlich zu dem knallroten 3 er- BMW . Dabei widmete sie dessen Nummernschild einen besonders langen Blick. SchlieÃlich, auf der Fahrerseite angelangt, gab sie dem Mann zu verstehen, er solle die Scheibe herunterkurbeln. Durch den kleinen Spalt fragte sie den südländisch wirkenden Schnurrbartträger leise und drohend zugleich: »Was ist denn los? Was soll denn das Gehupe?«
Unbeeindruckt von ihrem Ton blaffte der Mann zurück: »Das ist mein Parkplatz. Fahren Sie weg, ich hab nicht so viel Zeit wie Sie.«
»Ihr Parkplatz? Ich sehe keine Markierungsstreifen für einen Privatparkplatz. Sie etwa?«
Nachdem sie auf ihre rhetorische Frage keine Antwort, nur einen böse-grimmigen Blick erhalten hatte, fuhr sie fort: »Im Ãbrigen ist das Geben von Schallzeichen innerorts nur bei drohender Gefahr und auÃerorts zur Kenntlichmachung einer Ãberholabsicht gestattet. Insofern haben Sie soeben eine Ordnungswidrigkeit gemäà Paragraf 55 S t VZO begangen, welche in der Regel mit einem BuÃgeld von zehn Euro belegt wird. Im Wiederholungsfall kostet es mehr. Also, was ist?«
»Ich fahr weg.«
»Eine hervorragende Idee. Und das tun Sie augenblicklich. Dann, aber nur dann, werde ich nochmals Gnade vor Recht ergehen lassen. Andernfalls kassiere ich jetzt gleich das erhöhte BuÃgeld.«
Sie nickte dem Mann zum Abschied betont freundlich zu und ging dann in aller Ruhe zu ihrem grün-silbernen BMW zurück. Als sie sich wieder setzte, waren alle Aufregung und Wut von ihr abgefallen.
»So, und jetzt schauen wir mal, ob uns â wie hast du es genannt? â das Sequenzzeug in der SpenglerstraÃe irgendwie weiterbringt.«
Obwohl der kleine Hinterhof wie schon bei ihrem letzten Besuch frei war, verzichtete sie darauf, den Wagen hier abzustellen. Nach einer halbstündigen unfreiwilligen Sightseeingtour durch Gostenhof fand sie endlich, was sie suchte â einen halbwegs legalen Parkplatz. Als sie in die SpenglerstraÃe einbogen, sah sie zu Heinrich auf, in der Hoffnung, er würde durch seine pure Anwesenheit im Stadtviertel des Tatorts das Gedächtnis zurückbekommen. Sie hoffte vergebens.
Als sie Jakobsohns Wohnungstür aufschloss, fragte sie leise: »Wie gut kennst du eigentlich Ullis Nachbarn, diesen Julian Lustig?«
»Wen?
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