Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
Grundherren, verteilte ihr Land und ihr Vermögen. An diesem Vormittag hörten wir in etwa zwei Meilen Entfernung Parolengebrüll, es war wie eine Lawine, eine nach der anderen. Schnell war die Versammlung vorbei, Mama wurde zurückgebracht, die Haare standen ihr wirr vom Kopf, und sie blutete am ganzen Körper. Wir stürzten uns auf sie und riefen »Mama, Mama«, da erst setzte sie sich und streichelte uns Kindern ganz abwesend über den Kopf und fragte, ob wir Hunger hätten. Und dann sagte sie, sie werde ins Dorf gehen und für uns betteln. Nach ungefähr einer Viertelstunde wurde es an der Tür laut, wir hatten gar keine Zeit, Angst zu haben, als auch schon jemand krachend die Tür eintrat. Als sie mit einem Schlag nach innen fiel, kam Mutter mit Mühe hoch. In der Helligkeit, die in die Augen stach, erkannten wir quer vor der Tür zwei blutüberströmte Leichen, so haben sie uns den Vater und den Onkel zurückgebracht.
ZHANG MEIZHI:
Ich war viele Tage eingesperrt und wurde gefoltert, und am Tag der großen öffentlichen Gerichtsverhandlung wurden sieben, acht Menschen mit dem Gewehr hingerichtet, darunter mein Mann und mein Bruder. Ich war längst mit ein paar Dutzend anderen Grundbesitzern, reichen Bauern und schlechten Elementen mit auf den Rücken gefesselten Händen von der Miliz zum Kritikkampf abgeführt und zur Hinrichtungsstätte gebracht worden. Am Flussufer, nicht weit vom Versammlungsplatz, wurde den zum Tode Verurteilten ein schwarzes Schild hinten in den Kragen gesteckt, die Hände auf den Rücken gefesselt, die Beine mit einem Seil zusammengebunden und ein blaues Tuch in den Mund gesteckt. Ich stand nur zwei Meter weg und musste untätig zusehen, wie mein Mann und mein Bruder von der Miliz auf die Knie gezwungen wurden, wie man die schwarzen Schilder herauszog und ihnen die Gewehrmündung auf die Brust setzte, und dann peng! peng! Mein Bruder war großgewachsen, er schwankte ein paar Mal hin und her, fiel aber nicht. Der hinter ihm bereitstehende Schütze kam nach vorne und setzte sein Gewehr gegen die schon aufgerissene Brust. Das Blut spritzte sehr hoch, ein Spritzer landete auf der Schulter des Schützen, der erschrak für einen Augenblick und trat dann meinen Bruder zu Boden. Er wischte sich das Blut ab und stieß Verwünschungen aus, trat vor und schoss noch einmal auf meinen Bruder, der sich auf dem Boden quälte. Als er seinen letzten Atemzug tat, lag mein Bruder quer über dem Körper meines Mannes, er reckte die Hand zum Himmel hinauf und schlug damit wie mit einer Peitsche, dann rollte der Kopf nach links, genau neben den meines Mannes. Das Blut strömte weiter, es wirkte in der Sonne ganz hell, und meine beiden Lieben schienen sich heimlich zu unterhalten. Ich wurde von zwei Milizsoldaten gestützt, sie griffen mir ins Haar, so hatte ich keine Möglichkeit, den Kopf zu senken, dabei waren das doch meine nächsten Verwandten, aber sie ließen es nicht zu. Ich konnte nicht mehr hinsehen, ich hielt es nicht mehr aus! Wie oft habe ich die Augen zugemacht, sie waren ganz blutunterlaufen, aber jedes Mal haben sie mich angefahren, ich solle meine Rotzaugen aufmachen. Mir liefen die Tränen in Strömen, mein Kopf fühlte sich an wie ein Knoten, auch aus der Wunde strömte dickes Blut. Ich wollte ständig auf die Beine kommen, von anderen gestützt zu werden, war schlimm, außerdem machte das keinen guten Eindruck, man verlor das Gesicht, auf jeden Fall wollte ich eine gute Frau sein! Im großen Unglück sollte man wenigstens Haltung bewahren. Aber ich konnte machen, was ich wollte, ich kam nicht auf die Beine, ich versuchte es wieder und wieder mit den Zehenspitzen, aber meine Waden verkrampften. Ach, ich verlor das Gesicht, ich konnte nichts machen!
Am Ende sah ich auf einmal, wie zwei Milizsoldaten ihre Gewehre hoben und meinen beiden Lieben mit der Mündung die Vorderzähne einstießen und sie dann mit dem Bajonett mit aller Kraft hochwuchteten. Ich wusste, was sie machen wollten, ich war schließlich kein kleines Kind mehr, sofort drehte sich alles. Ich biss mir wild auf die Zunge und wollte schreien: »Nehmt meine Zunge! Vergeht euch nicht auch noch an den Toten!« Aber da dröhnte mein Kopf, und ich wusste gar nichts mehr.
LIAO YIWU:
Sie haben vor allen Leuten den Toten die Zunge herausgeschnitten?
ZHANG MEIZHI:
Ja. Ja.
LIAO YIWU:
Und wie haben die Massen reagiert?
ZHANG MEIZHI:
Es waren ein paar tausend Menschen vom Exerzierplatz mit herübergekommen, eine dunkle und dichte
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