Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
noch Wölfe und Bären erlegt.
LIAO YIWU:
Das war eine regelrechte Kollektivjagd!
YANG SIXIAN:
Schon, die haben sich einen Tag und eine Nacht im Gebirge herumgetrieben und am Ende ganz begeistert alle möglichen Wildtiere angeschleppt. Sie haben vor dem Verwaltungsgebäude der Gemeinde einen Erdofen ausgeschachtet, einen großen Shanghai-Kessel aufgestellt, den Tieren das Fell abgezogen und das Fleisch gekocht. Meine beiden Brüder wurden daneben an einen Baum gehängt, wie wilde Tiere, die auf den Schlachter warten. Und wenn sie vollgefressen und -gesoffen waren, sind einige von den Kerlen mit Knochen zu ihnen, um sie zu hänseln. Sie mussten die Zunge herausstrecken und an den Knochen lecken, aber dann ließen sie sie nicht. Der Zweitälteste wollte sich nicht demütigen lassen, also machte er den Mund zu und drehte den Kopf weg, aber das machte die Kerle wütend. Sie gingen mit unzähligen Knochen auf ihn los, hebelten ihm mit einem Messer den Mund auf und flößten ihm eine Schale mit Exkrementen ein.
ZHANG MEIZHI:
Ich wurde nach vierzig Tagen und Nächten andauernder Bekämpfung nach Hause gebracht. In der Schule von Zehei zwangen sie mich zuerst, meinen Mann und meinen Bruder anzuzeigen, dann wollten sie auch noch, dass ich ihnen den Unterschlupf meiner Söhne verrate, ob ich ihnen gesagt hätte, sie sollten sich als Räuber in die Berge verdrücken? Ich war eine verheiratete Frau, und seit meiner Hochzeit habe ich mich ausschließlich um Mann und Kinder gekümmert, was wusste ich, was da draußen vorging? Mein Ältester war ein Studierter, der hätte sich als Letzter mit Räubern eingelassen. Außerdem wusste ich, dass es unter den armen und mittleren Bauern, die mich jetzt bekämpften und schlugen, eine ganze Reihe gab, die tatsächlich als Räuber unterwegs gewesen waren, das war natürlich vor der Befreiung, sie waren unter dem Guomindang-Regime Räuber gewesen, und über Nacht waren aus ihnen »arme Opfer« geworden, »die man in die Berge gezwungen hatte«.
Es war Regenzeit, ich kniete mit ein paar Dutzend anderer reicher Bauernelemente in einer Dreckpfütze. Unter die Knie hatten sie uns zerbrochene Ziegel und Schlacke gelegt, es regnete wie aus Eimern, ich war vor Schmerz ganz abgestumpft, doch wenn man sich rührte, kam einer der Milizsoldaten und trat einem den Kopf ins Wasser, damit man wieder zu sich kam. Damit haben sie die Wurzel gelegt für mein Rheuma, ich bin jetzt über achtzig und kann Beine und Hüfte immer noch nicht gerade machen.
Außerdem wurden wir geschlagen, aufgehängt, uns wurde immer wieder an den Haaren gerissen, uns wurde mit Lederschuhen, Tuchschuhen, Grasschuhen auf den Mund geschlagen, mit Stangen hat man uns gegen die Beine gedrückt … was einem Menschen an Grausamkeiten einfallen kann, das haben sie gemacht. Seit diesem Jahr habe ich nur noch ein paar wenige Zähne. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit dem Leben davonkommen würde, ich danke dem Herrn, ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich die meisten von diesen armen und mittleren Bauern überleben würde.
Als ich wieder zu Hause war, waren meine beiden Söhne weg. Der Drittälteste erzählte mir heimlich alles, er wusste, wo der Älteste sich versteckte, mir brach der kalte Schweiß aus. Eigentlich war der Älteste nie weit herumgekommen, und jetzt versteckte er sich in einem verfallenen Keller in einem Tal hinter den Bergen.
LIAO YIWU:
Auch wenn er der Katastrophe entgangen war, wie hat er die Zeit danach überstanden?
ZHANG MEIZHI:
Auf der Versammlung, auf der mein Mann und mein Bruder erschossen wurden, wurde auch er zum Tode verurteilt. In Abwesenheit. Überall in Gemeinde und Dorf hingen Steckbriefe von ihm, deshalb durfte er unter keinen Umständen zurückkommen, und noch viel weniger durfte er sich irgendwo sehen lassen.
LIAO YIWU:
Da blieb ihm nichts anderes, als ein Wilder zu werden.
ZHANG MEIZHI:
Tagsüber versteckte er sich im Keller, nachts kam er herausgekrochen und suchte sich draußen irgendetwas gegen den Hunger. Er hatte studiert, außerdem, wenn jemand lange in der Wildnis lebt, dann werden seine Ohren scharf wie die Ohren von wilden Tieren. So verging die Zeit, der Höhepunkt der Bodenreform war vorüber, die Leute kümmerten sich nicht mehr um ihn, ein einzelner Konterrevolutionär war ihnen nicht mehr so viel Mühe wert. So hatte es zumindest den Anschein.
LIAO YIWU:
Und dann?
ZHANG MEIZHI:
Und dann sind wir alle in die Berge, um etwas anzupflanzen. Mein Ältester hatte
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