Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
nicht angegeben. Ich habe auch versucht, in der Zelle weiter meine Übungen zu machen, aber kaum dass ich mich rührte, haben sich zwei von der Verwaltung instruierte Kriminelle auf mich gestürzt, mir Hände und Füße auseinandergezogen und geschrien: »Meldung!«
Dann erschien der Leiter des Untersuchungsgefängnisses und schlug mit einem Gummiknüppel auf mich ein, bis ich am ganzen Körper grün und blau war. Erst dann gab er den Befehl, mir einen selbstgemachten Eisenkragen anzulegen. Diese Strafe, die man traditionell »Eiserner Pfeifenstiel« nannte, war eigentlich für zum Tode verurteilte Verbrecher gedacht, um sie am Selbstmord zu hindern, und wurde auch angewandt gegen Verbrecher, die schwer gegen die Ordnung verstoßen hatten. Ich »ging in Ketten und trug einen Kragen« wie die Helden aus dem Roman »Die Räuber vom Liangshan-Moor«, die mordeten und brandschatzten, sich mit den Regierungstruppen herumschlugen und denen man ein Schandmal ins Gesicht tätowierte, bevor man sie verbannte. Ich wurde wieder in die Zelle geworfen und konnte ganze zehn Tage lang nicht einmal selbstständig auf die Toilette gehen. Erst als die Reihe beim kollektiven Waschen an uns kam, wurde mir der Eisenkragen abgenommen. Mein Hals und meine Handgelenke waren wundgescheuert und eiterten, mein Unterleib war rot geschwollen, als ich wieder draußen war, hat es Monate gedauert, bis ich mich wieder erholt hatte.
Am 25 . April 2004 wurde ich dann in einem Vorort von Chengdu noch einmal von den 610 ern festgenommen. Nach über zwei Monaten Haft verkündeten sie, ich sei zu zwei Jahren Umerziehungslager verurteilt worden. Am 3 . Juli wurde ich in ein Frauen-Umerziehungslager im Kreis Pujiang überführt. Wegen der zahllosen neuen und alten, inneren und äußeren Verletzungen und Krankheiten bestand ich die Aufnahmeuntersuchung ins Lager nicht und wurde wieder heimgeschickt.
LIAO YIWU:
Man hat Sie nicht leben und nicht sterben lassen, was haben Sie denn da »zu Hause« gemacht?
FRAU CHEN:
Für die Verwaltung und die Polizei war ihre »Seuchengöttin« wieder da. Sie knirschten vor Wut mit den Zähnen. Sie hielten eine Versammlung ab, die eine ganze Nacht dauerte, und beschlossen dann gemeinsam, »die Chen sowieso ist eine vom Teufel besessene Geisteskranke«. Am 5 . Juli wurde ich an Händen und Hals gefesselt in das Irrenhaus Zehntausend Frühlinge geworfen …
LIAO YIWU:
Gab es ein ärztliches Attest?
FRAU CHEN:
Irgend so ein stellvertretender Sekretär sagte, was die Partei beschlossen habe, das sei das Attest mit der größten Autorität. Ich ging durch drei Eisentüren, dann schlug eine Tür hinter mir zu, und ich war in einem Krankenzimmer der Kategorie A, mit vergitterten Fenstern, Eisenbetten, Eisenstühlen, Eisenschränken, die Kranken hier hatten ganz starre Augen, sie hatten Muskelkrämpfe, sie sabberten, standen um mich herum und lachten meckernd und irre. Ich war entsetzt, ich klammerte mich an den Arm des Chefs der bewaffneten Streitkräfte meiner Gemeinde, ein gewisser Hu, der auf dem Absatz kehrtmachen und mich allein lassen wollte, und schrie: »Hier bleibe ich nicht!«
Hu lachte zufrieden: »Aber Ihr seid eine hohe Funktionärin, wir haben Euch eigens hierhin geschickt, damit Ihr behandelt werdet! Alle haben sich so den Kopf zerbrochen, bis wir diesen Ort für Euch gefunden haben, und dann müssen wir auch noch dreitausendsiebenhundert Yuan für die Behandlung zahlen.«
Ich umklammerte die Beine dieses Hu und flehte ihn an: »Aber ich bin doch nicht krank im Kopf!«
Hu lachte noch lauter: »Das sagen hier alle! He, mach doch ein paar Übungen, das Amt für Landsteuer hat hier drin eine gewisse Yang Chongyu, Ihr seid Schwestern im Glauben, übt doch, bis Ihr verreckt!«
Ich wurde eine Nacht lang an das Eisenbett gefesselt, am nächsten Tag dann sahen die Pfleger, dass ich mich anständig aufführte, und sie machten mich los. Kaum war ich frei, fiel ich zu Boden und verlangte, etwas über Yang Chongyu zu erfahren. Die Pfleger gaben keinen Ton von sich, und ich nutzte ihre nach dem Abendessen nachlassende Aufmerksamkeit und sah in allen Krankenzimmern nach und fand sie auch schließlich. Sie war abgemagert bis auf die Knochen und sah aus wie ein Gespenst. Ich zog sie in ein Gespräch und erfuhr, dass sie schon fast ein Jahr hier drin war und schon längst nicht mehr das Gesetz lernte und ihre Übungen machte. Sie sagte, sie lerne von den Verrückten das Verrücktsein, wer hier drin erkennbar nicht
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