Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
einem kurzen Lächeln verzog, dann nur aus Höflichkeit.
Er sagte, wenn ich in diese christliche Eliteuniversität Chinas eintreten wolle, müsse zunächst in einer politischen Überprüfung, einer innerlichen wie äußerlichen, festgestellt werden, ob es mit meiner Person keine Schwierigkeiten geben würde, ob ich Vorstrafen hätte oder andere Schandflecken. Dann erst käme es zur Prüfung meines Bildungsstandes. Und zudem müsse ich zwei Jahre ehrenamtlich arbeiten.
Ich flehte ihn an, mich schon gleich aufzunehmen, ich würde die ehrenamtliche Arbeit leisten und mich gleichzeitig auf eigene Kosten fortbilden, politisch überprüfen könnten sie mich dann doch nach und nach.
Aber der Leiter des Seminars meinte mit einer nachdrücklichen Pause nach jedem Wort, eine Fortbildung auf eigene Kosten gebe es bei ihnen nicht. Außerdem sei mein eingetragener Wohnsitz in einer kleinen Stadt, in eine so große Stadt wie Nanking umzuziehen, sei für mich daher nahezu unmöglich.
LIAO YIWU:
Seid ihr gar nicht auf die Bibel oder damit zusammenhängende Fragen eingegangen?
QUEYUE:
Nein.
LIAO YIWU:
Dieser Seminarleiter war wohl ein wenig profan.
QUEYUE:
Er argwöhnte vielmehr, dass der Zweck des Glaubens an den Herrn bei vielen sei, ins Ausland zu kommen oder auf diese Weise einen Ausländer zu heiraten oder doch wenigstens dadurch reale Hilfe zu erhalten, aber niemals, dem Herrn reinen Herzens zu dienen. Als ich ihn so reden hörte, hatte ich das Gefühl, auf Nadeln zu sitzen, denn auch ich wollte ja etwas daran ändern, dass ich als Straßenkünstler lebte. War das auch falsch?
LIAO YIWU:
Und er hat dir keinen Weg gezeigt? Du warst doch auch ein verirrtes Lamm.
QUEYUE:
Er schickte mich dorthin zurück, wo ich herkam, ich sollte dort das Komitee der Patriotischen Drei-Selbst-Bewegung [124] der evangelischen Kirche Chinas konsultieren. So hatte ich zwar meine Hoffnung verloren, kehrte aber gemäß seiner Anweisung nach Yichang in der Provinz Hubei, nicht weit von meinem Zuhause, zurück, ging in die Kirche und bat den dortigen Priester um Hilfe. Der Priester zeigte große Sympathie für mich, er stellte mir frei, in diesem Kirchenbezirk für ein paar Jahre ehrenamtliche Arbeit zu leisten und mich vor dem Herrn zu beweisen. Doch dann sagte er, es sei schwierig, den Wohnsitz zu verlegen, da müsste ich mir selbst etwas überlegen. Ich fragte, ob die Kirche mir eine Bescheinigung ausstellen könne. Und er antwortete, das sei nicht möglich. So endete mein Glaubensweg in der Sackgasse, und seitdem halte ich mich von jeder Religion fern.
LIAO YIWU:
Und was dann?
QUEYUE:
Das Leben musste weitergehen. Irgendwann, ich war müde und über dreißig, wollte ich mich dann irgendwo niederlassen.
LIAO YIWU:
In Chengdu?
QUEYUE:
Erst in Chongqing. Weil ich von dort auf einer Wasserstraße mit dem Schiff schnell zu meiner Familie konnte. Das war nur so ein Gefühl, ich war viele Jahre nicht mehr zu Hause gewesen.
Am 8 . Oktober 1992 gegen Abend war unsere Band nämlich wie so oft schon in einer Fußgängerunterführung im Stadtbezirk Shapingba in Chongqing aufgetreten. Damals war ich vierundzwanzig und hatte bereits einiges auf der Straße erlebt, aber nie hätte ich damit gerechnet, so in der Scheiße zu landen …
LIAO YIWU:
Ist jemand von der Stadtverwaltung gekommen?
QUEYUE:
Ja. Tatsächlich gerät jeder Künstler, der auf der Straße auftritt, in seinem Berufsleben irgendwann an die Stadtverwaltung. In unseren Augen waren die von der Stadtverwaltung einfach nur vom Staat gepäppelte Gangster, wo immer sie eine Möglichkeit sahen, machten sie ihren Profit. Gemüseverkäufer, Standbetreiber, Schuhputzer, die Fahrer von Transport-Dreirädern, alle hatten Angst vor ihnen. Denn ging man ihnen nur ein klein wenig zu spät aus dem Weg, wurde alles zertrümmert, was einem gehörte.
Und Mann, wir Künstler wollten, so gut es ging, einigermaßen erstklassig sein. Auch wenn wir vor allem mit dem Mund arbeiteten, war unsere Ausrüstung doch wohl teurer als die eines Standbetreibers. Mit gut zehn hatte ich meiner Tante am Schiffsanlegeplatz geholfen, auf ihren Stand aufzupassen. Ich weiß von daher, selbst wenn ein Stand plattgemacht wird und damit ein Kapital von einigen zig oder auch Hunderten von Yuan, der Kummer darüber vergeht wieder.
Aber bei uns Künstlern? Die Anlage, das waren etliche hundert, die Mikrophone über hundert, eine Gitarre, an der man seine Freude hat, kommt ebenfalls auf einige hundert. Dazu die
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