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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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Traum stirbt, erhält das Leben. Das ist der Brauch, wenn sich da hinter den »Glücksgöttern« einmal die Türe schloss, dann konnte man sich im Haus vor Glück über die Finanzen nicht mehr retten. Die Herbergsleute führten die Totenrufer deshalb kichernd in die hinterste Kammer, Waschschüssel und Topf wurden hineingereicht. Wir schauten dicht aneinander gedrängt zu, wir haben gesehen, wie der »Tote« aufrecht hinter der Tür lehnte, wie sein Führer den Lampion und den Korb mit dem Totengeld absetzte, sich in den Eingang stellte, mir ins Auge starrte und rief: »Haut doch ab!«
    Und die Herbergsleute setzten eine ernste Miene auf und stimmten ein: »Fort! Und haltet nur ja die Klappe!«
    Wir waren nur Zaungäste, wir wollten keinen Ärger haben, also zogen wir uns zurück. Der Herbergsvater bekam aus der Hand des Führers einen alten Silberdollar, dem sprang das Herz im Leibe. Er ging zum Tresen, blies auf die Münze und hielt sie sich ans Ohr. Es dauerte eine ganze Weile, bis er sie wegschloss und ein wenig Wechselgeld herausgab. Dann rief er uns zu, wir sollten mitkommen und auf dem Markt etwas zu essen besorgen.
    Zuerst kaufte er ein paar Pfund alte Schweineohren, krumme Schweineschnauzen und in Öl gebratene Erdnüsse, in der Herberge machte er noch vier Fleisch- und Fischgerichte, darunter einen gut zwei Pfund schweren Soja-Chili-Fisch, am Ende suchte er noch weiße Kerzen und Totengeld, das sie am nächsten Tag unterwegs benutzen konnten.
    Wir liefen sehr geschäftig mit, dem Herbergsvater war das unangenehm, und er lud uns zum Essen ein. Er schickte seinen Knecht los, und wir drei tranken und plauderten. Wegen des Geldes, das der »Tote« gezahlt hatte, stellte er sogar beim Trinken die Ohren auf, aus ihrem Zimmer musste nur der geringste Laut kommen und er rannte los, fragte »haben Sie irgendwelche Wünsche« und ließ es sich nicht einmal nehmen, eigenhändig die Mäuse zu verjagen.
    Der Alkohol tat seine Wirkung. In seiner Schnapslaune gab der Herbergsvater allmählich die Zurückhaltung auf und prahlte damit, wie er in den vergangenen zwanzig Jahren an die zehn »Glücksgötter« beherbergt habe. Wir taten so, als würden wir kein Wort glauben, da wurde er heftig und sagte: »Wenn der Tote einmal im Haus ist, steht er in den schwarzen Umhang gehüllt hinter der Tür, er nimmt auch den Strohhut nicht ab, es ist ganz schrecklich!«
    Ich fragte: »Läuft der Tote denn wirklich selbst?«
    Er sagte: »Es heißt, er läuft selbst, aber in Wirklichkeit geht ein lebendiger Mensch. Das Geheimnis steckt unter dem Gewand.«
    Ich sagte: »Der Totenrufer ist natürlich ein lebendiger Mensch, und der Tote geht. Die Leute erzählten, sie hätten immer eine schwarze Katze dabei, die sie immer wieder über und unter der Leiche durchlaufen lassen, das nennt man ›das letzte Knistern‹, dann beginnt sich der Tote zu bewegen wie eine Holzpuppe, und dann laufen sie los, mit Stock und Lampion.«
    Der Herbergsvater wies mich zurecht: »Das ist alles Gerede!« Ein anderer Gast mischte sich ein: »Wenn das Gerede ist, dann lass uns doch nachsehen!«
    Der Herbergsvater sagte: »Die Tür ist fest verschlossen.
    Ich sagte: »Wir könnten ja mal ein Ohr riskieren!«
    Der Herbergsvater sagte: »Die beherrschen Kung-Fu, pass auf, dass sie dir das Ohr nicht abschneiden und zum Wein verspeisen! Ich sage die Wahrheit, wenn ich sage, das ist ein Beruf, der das Tageslicht scheut! Wenn sie einmal im Haus sind, lassen sie sich in der Regel nicht mehr sehen, essen und das Gegenteil, das machen sie alles auf ihrem Zimmer. Morgen zur dritten Doppelstunde, also um Mitternacht, müssen sie sich wieder auf den Weg machen.«
    Er hatte sich richtig in Rage geredet, ein kalter Wind wehte durch die Gaststube, der Herbergsvater zog den Kopf ein und schimpfte, dass sein Knecht die Lampe vor der Tür nicht angemacht hatte, da schlug die Wanduhr, es war halb neun, draußen war es schon so dunkel, dass man die Hand nicht mehr vor Augen sah.
    Er nippte an seinem Glas und fuhr fort: »Was du da gerade erzählt hast von wegen schwarzen Katzen und letztem Knistern, das ist alles feudalistischer Aberglaube!«
    Ein anderer spottete: »Dein feudalistischer Aberglaube wohnt bei dir, und du hast die Stirn, uns zu belehren?«
    »Die Totenrufer gibt es«, gab der Herbergsvater zurück, »aber in der neuen Gesellschaft, ihr werdet es sehen, wird es dieses Gewerbe nicht mehr lange geben, ich werde das Rätsel einfach lösen: Es gibt zwei lebendige Totenrufer,

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