Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
haben Wir eine Reihe von Geheimedikten erlassen, in denen Wir die Geburtenplanung als Hexenwerk tadelten und die Untertanen des Reiches des Überflusses dazu aufriefen, nach Belieben zu zeugen und zu gebären. Die Frau, die über zehn Kinder gebäre und großziehe, werde von Uns mit einem kaiserlichen Ehrentitel beliehen.
Genau zu dieser Zeit ging der älteste Einwohner von Zengjiagou von uns, er war hundert Jahre alt. In den Bergen ist das Dahingehen eines hundert Jahre alten Menschen im Umkreis von vielen vielen Meilen eine Angelegenheit ersten Ranges, die Menschen eilen aus der Ferne herbei, um ihm das letzte Geleit zu geben. Ein Fengshui-Meister wurde als Ehrengast geladen, er streifte zwei Tage über Berge und Höhen und fand schließlich einen nach Süden und zur Sonne hin ausgerichteten Ort mit ausgezeichneten Fengshui-Eigenschaften. Der Sarg des Toten stand dort dreimal sieben Tage. Von außerhalb wurden Mönche gebeten, die Sutren zu verlesen und die buddhistischen und daoistischen Riten zu vollziehen, dann wurde ein Tag für die Beisetzung festgesetzt.
Nach Ma Xings Berechnungen musste der Sarg in dem Augenblick in die Erde gesenkt werden, in dem die Sonne gerade hinter den Bergen vorkam, nur dann werde der Duft des Räucherwerks für den Hundertjährigen wie die aufgehende Sonne für alle Ewigkeit zum Himmel steigen. Daraufhin erhoben sich um Mitternacht unter dem Schlagen von Becken und Gong, unter dem Tönen von Flöte und Suona diese gut tausend Menschen, die den Beerdigungszug bildeten, unter ihnen auch hundert hohe Würdenträger des Reiches. Überall waren pietätvolle Söhne des Verstorbenen, und auch Wir konnten Uns dem Brauch nicht verweigern. Alle waren der Auffassung, wenn die hundert Jahre alte Seele in einem anderen Körper am Aufbau des neuen Reiches teilnehmen könne, dann sei das ein gutes Omen. Die um den Bergrücken herum aufgestellte Prozession war äußerst eindrucksvoll, selbst die Sterne verblassten davor. Und je höher sie kam, umso weniger konnte man noch unterscheiden, was Sterne und was Fackeln und was Menschen waren. Niu Daquan verkündete: »Euer Majestät, das alles kommt aus dem himmlischen Reich.« Und Wir mischten Uns mit ihm unter den Trauerzug. Die Stimme des Vorsängers der Klage war sehr hell, er sang eine Zeile, über tausend Menschen stimmten ein, und der Berg bebte von diesem Summen: »Geh, ach, geh, ach, geh! – Ach, halt nicht an! – Ach, heb den Kopf nicht in die Höh – Ach, schwimm den Himmelsfluss hinan – Ach, dann steig ins Fleisch hernieder – in zwanzig Jahren, ach, komm wieder – ach, nimm eine große Schöne – ach, des Weibchens Sonne bringt dir Söhne …«
LIAO YIWU:
Ihr habt einen ausgeprägten Sinn für Poesie.
ZENG YINGLONG:
Das Schauspiel hat doch noch gar nicht begonnen! Als die Stunde der Beisetzung gekommen war, ließ der Oberkommandierende Ma Xing ein gutes Dutzend Männer der Garde im Angesicht der aufgehenden Sonne einen Beschwörungstanz aufführen, ganz automatisch tanzten viele Menschen mit. Kanzler Niu Daquan nutzte die Gelegenheit, entblößte den Arm und schwenkte das Drachenbanner des Reiches des Großen Überflusses, er stampfte und stampfte, schwang und schwang die Fahne, dann nahm er aus seinem Busen eine Handvoll Erbsen, hob die Hand und streute sie aus und rief wiederholt das Wort »Wandlung«. Die Menschen bückten sich, um diese in den Boden eingedrungenen heiligen Erbsen zu sammeln, und sie achteten nicht der dunklen Wolken, die vom Grund der Bergbäche aufstiegen und für einen Augenblick die Sonne bedeckten. Da grellte ein Blitz auf, und Donner grollte, und Regen stürzte nieder, als wollten zehnmal zehntausend Krieger und Generäle des Himmels fechten mit der Welt.
LIAO YIWU:
Das ist ein alter Trick, er heißt »Erbsen streuen und Krieger bekommen«.
ZENG YINGLONG:
Er versteht noch etwas davon. Die Leute wurden in dem Gewitter nass wie die Katzen. Einer nach dem anderen gingen sie in die Knie und flehten den Kanzler um ein Wunder an. Wir haben sie selbstverständlich gewähren lassen. Als der Regen vorbei und der Himmel wieder klar war, brachten Unsere Untertanen die Beisetzung zu Ende und stiegen in Unserem Gefolge von dem Berg herab. Unterwegs hielten sie Rekrutierungsbanner hoch, aus allen Himmelsrichtungen kamen die Bauern und suchten bei Uns Zuflucht, nach ein paar Tagen war eine Menge von mehreren zehntausend Menschen versammelt.
LIAO YIWU:
Was für eine Menge von mehreren zehntausend Menschen? Ich
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