Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
buddhistischen Lehre wurde seine sterbliche Hülle nach Vollendung seiner jetzigen Wiedergeburt und nach seinem Eingehen ins Nirvana mit gekreuzten Beinen in die »Seelenpagode Wu Kongs« gebracht, sie war nach über fünfhundert Jahren noch nicht verfault und bildete den wichtigsten Schatz des Tempels.
LIAO YIWU:
Ich habe mindestens eine Viertelstunde vor seiner Pagode gestanden, die Nischen für die Buddha- und Ahnenbilder waren leer, der Körper der Pagode war am Zerfallen, selbst die Spruchbänder rechts und links waren verwischt.
DENG KUAN:
Auf den Spruchbändern steht: »Schau zurück und erkenne, Wolken zogen am Auge vorbei, alles ist leer.« Das spielt auf seinen Namen an. Während der Bodenreform führte ein Kompanieführer der Volksmiliz eine ganze Einheit zum Tempel, zur Ausmerzung des Aberglaubens, sie haben vom Unteren bis zum Oberen Tempel alles kurz und klein geschlagen, und am Ende standen sie vor der Seelenpagode von Wu Kong. Der Kompaniechef hob das Bajonett seines japanischen Gewehrs Kaliber 38 , stieß einen Schlachtruf aus und rammte es in die sterbliche Hülle des Patriarchen Wu Kong. Dieser von Dämonen besessene, bedauernswerte Mensch stieß ein paar dutzend Mal zu, und der Körper zerfiel. Dann sind sie mit den Füßen auf den Überresten herumgetrampelt, bis vor der Pagode nur noch Bruchstücke herumlagen. Dann sind sie gegangen. Als sie am Nachmittag des gleichen Tages Mönche zu der Stelle schleppten, um sie im Angesicht der »Früchte ihres Sieges« zu erziehen, hatte der Regen die sterblichen Überreste längst weggespült, sie waren im Boden versickert. Nur ein paar saubere weiße Knochenstücke waren noch da. Ich unterdrückte mit Mühe meine Tränen und stieg nach Mitternacht auf den Berg, um mich um die letzten Überreste des Patriarchen zu kümmern. Man erzählte sich, in den Adern des Patriarchen sei tibetisches Blut geflossen, er war von hohem Wuchs, und seine Knochen waren viel länger als die gewöhnlicher Menschen. In der alten Gesellschaft bezeichneten die Leute in der Gegend seine sterbliche Hülle als Göttin der Man, das ist ein Volksstamm im Süden.
Mir tat das Ganze im Herzen weh, aber ich durfte nichts sagen, ich konnte nur in aller Heimlichkeit seine sterblichen Überreste in einem grünen Bastkorb sammeln und nur ja nichts fallen lassen. Da es kein Versteck gab, habe ich den Korb an einen großen Dachbalken im Guan-yin-Tempel gehängt, ein Kraftakt, weil ich annahm, da könne nichts schiefgehen.
Aber dann kam die Kulturrevolution, und das ganze Land war in Aufruhr, die Vier alten Übel wurden zerschlagen, die Hohe Halle des Großen Helden, das ist die Haupthalle in buddhistischen Tempeln, der Guanyin-Tempel, die Tempel des Gottes der Wohlfahrt, des Weituo, die Eingangshalle, die Lichterhalle, alles wurde zerstört. Weil Wu Kong dem Tempel einmal vorgestanden hatte, hatte sein Großneffe, der Yongle-Kaiser, dem Kloster viele buddhistische Schätze vermacht, darunter die einzige erhaltene Ausgabe des Sutrenbuches »Hongwu Nanzang« mit sechshundertachtundsiebzig Schubern und über siebentausend Rollen und einem Gesamtgewicht von gut drei Tonnen; ein Paar gusseiserner Kochtöpfe, vom Yongle-Kaiser eigenhändig gestiftet, aus einem Stück gegossen, etwa einen Meter fünfundsechzig hoch und mit einem Durchmesser von zwei Metern und zehn, damit konnte man für gut zweitausend Mönche Essen kochen. Dieses kaiserliche Geschirr wurde nur bei Mönchsweihen oder wichtigen buddhistischen Zeremonien verwendet; ein halbes Banner mit dem sagenumwobenen Vogel Luan, das der Kaiserin und dem Vater des Kaisers als Zeichen vorangetragen wurden, wenn sie den Palast verließen; ein Phönix- und Drachenbanner, als Zeichen des Kaisers und der Kaiserin; acht große Hallen mit glasierten Ziegeln; ein von Kaiser Ming Taizu eigenhändig geschriebenes Motto »Geradeaus und ohne Umweg« und so weiter und so fort.
LIAO YIWU:
Und das ist alles vernichtet?
DENG KUAN:
Außer dem »Hongwu Nanzang«, für das Yao Qixin, der erste Kreisvorstand des Kreises Chongqing, eigens eine Einheit organisierte und es in der ersten Zeit der Befreiung nach Chengdu in Verwahrung gab, alles andere konnte nur schwer seinem vorbestimmten Schicksal entgehen. Die gusseisernen kaiserlichen Kochtöpfe wurden 1958 bei der großen Stahlschmelzaktion zerschlagen und eingeschmolzen. Aber die kaiserlichen Töpfe waren zu groß und zu dick, als sie in Stücke geschlagen werden sollten, kamen ein paar dutzend kräftige
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