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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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Bühne und stellte sich gegen den Personenkult Stalins. Das von dort ausgehende kulturelle »Tauwetter« hat nach und nach auch unser Land erreicht, und das Wohl und Wehe einer ganz einfachen Lyrikzeitschrift ist auch eine Epoche im Kleinen.
    FENG ZHONGCI:
    Klingt, als hättest du das auswendig gelernt.
    LIAO YIWU:
    Beim Kampf gegen rechts war ich noch nicht geboren, natürlich bleibt mir, außer den Rückblicken von Menschen wie Ihnen, nichts anderes übrig als Bücher auswendig zu lernen. Ja, ich habe gerade von dem Artikel »Die Sterne und ich« gesprochen, das ist der Bereich, in dem ich mich bewege, und nicht solche lächerlichen Filme wie »Der Pferdehirt«, in diesem Artikel sieht man die wirklichen Lebensumstände unschuldiger Rechtsabweichler. Manche von ihnen wurden unerklärlicherweise zu Rechtsabweichlern gestempelt, nur weil sie einen Brief an die Redaktion geschickt hatten, in dem sie ihr Lob für irgendein Gedicht ausgedrückt oder eine Erwiderung auf eine linkslastige Gedichtkritik verfasst hatten. Man kann sagen, das Schicksal dieser kleinen Lyrikzeitschrift, die selbst ja gar nicht reden kann, hat das Geschick vieler sehr lebendiger Menschen beeinflusst. Leute aus meiner Generation können sich im Grunde gar nicht vorstellen, dass es Menschen gegeben hat, die, um eine Lyrikzeitschrift am Leben zu erhalten, sich ein Leben lang mit Füßen treten ließen und am Ende ihres Lebens ihren Nachfahren immer wieder einschärften: Wir wollen mit dieser Zeitschrift eingeäschert werden!
    FENG ZHONGCI:
    Das kommt dir seltsam vor? Aber das war damals ganz normal.
    LIAO YIWU:
    Könnten Sie zu diesem Gefühl etwas sagen?
    FENG ZHONGCI:
    Nein, mein Fall hat damit nichts zu tun. Damals war mein Denken aktiv und den Organisationen der Partei sehr nahe, dazu kommt, dass ich aus sehr armen Verhältnissen stamme, wenn es die Politik erfordert hätte, ich hätte sofort aufstehen und den Angriff rechter Elemente zurückschlagen können.
    LIAO YIWU:
    Sie nehmen mich jetzt aber nicht auf den Arm?
    FENG ZHONGCI:
    Ich war Komiteesekretär der Kommunistischen Jugendliga meiner Universität, ich bin in meinem zweiten Jahr an der Universität in die Partei eingetreten, als die Antirechts-Bewegungen begannen, war ich gerade dabei, den Graduierten Stellen zuzuweisen, ich schlug als Erster vor, dorthin zu gehen, wo das Vaterland uns am meisten brauchte. Die Organisation suchte das Gespräch und machte mir klar, dass sie mir wegen der Notwendigkeiten des Kampfes gegen Rechts die Redaktion der Universitätszeitung überlassen wollte, um dieses Schlachtfeld der offenen Rede aus den Händen der Reaktionäre zurückzuerobern.
    LIAO YIWU:
    Ich habe verstanden. Sie waren vielleicht linksradikal und haben den Zorn der Massen auf sich gezogen und dann sind Sie in einmütiger Denunziation von einem Ultralinken zu einem Ultrarechten gemacht worden.
    FENG ZHONGCI:
    Ich erkläre dir noch einmal, ich habe mit Rechtsabweichlern und der Bewegung nichts zu tun. Wenn ich heute daran denke, so war ich dazu verurteilt, Pech zu haben, solange es Klassen und den Klassenkampf gab.
    LIAO YIWU:
    Seien Sie ehrlich, warum waren Sie Rechtsabweichler?
    FENG ZHONGCI:
    Wegen meines Privatlebens.
    LIAO YIWU:
    Sie hatten Probleme wegen Ihres … Verhaltens?
    FENG ZHONGCI:
    Schau mich nicht so an! Jede Zeit versteht das Wort »Verhalten« auf seine Weise. Was man heute darunter versteht, das hätte früher gereicht, um an die Wand gestellt zu werden.
    LIAO YIWU:
    Wer ist an die Wand gestellt worden?
    FENG ZHONGCI:
    Ich will dir ein Beispiel geben. Für einen so schlichten und ehrlichen Menschen wie dich, vor allem als Reporter, bist du ein wenig begriffsstutzig.
    LIAO YIWU:
    Ich bin kein Journalist. Sie sagen, das Privatleben hat nichts mit Problemen im Verhalten zu tun, aber was waren das dann für Probleme?
    FENG ZHONGCI:
    Hör mir zu, mein Junge, der familiäre Hintergrund meiner Frau war nicht gut.
    LIAO YIWU:
    Grundbesitzer?
    FENG ZHONGCI:
    Keine normalen Grundbesitzer, sondern Bürokraten und Grundbesitzer. Einer ihrer Onkel war Chef des Anti-Raucher-Büros in der Guomindang-Regierung, in der Anfangszeit der Befreiung wurde er unterdrückt; ihr Vater hatte eine moderne Studentin als Nebenfrau, an dieser Bürde trug die Familie meiner Frau sehr schwer. Ihr blieb nichts, als sich mit ganzer Seele auf die Schule zu konzentrieren, doch ihr persönliches Leben war traurig und bedrückend, sie hatte nicht eine einzige Freundin. Es war genau das, was mich besonders

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