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Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Jacobs
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älter zu werden. In seinem Gesichtsausdruck liegt immer eine Mischung aus Trauer und Verletzlichkeit. Für einen Mann seiner Statur sind diese Züge so ungewöhnlich, dass ich immer zweimal hinschauen muss. Er vermittelt mir nichts von dem romantischen Landleben, Jim nimmt mir jede Illusion, man bekäme irgendwas von der Natur geschenkt. Das Leben hier ist hart erkämpft.
    Wir geben uns die Hände, seine sind wie aus Holz geschnitzt. Er nimmt sein Käppi ab, streicht sich über die Stirn und setzt es wieder auf. Schüchtern und zurückhaltend lächelt er.
    »Ich bin auf dem Weg in den Ort. Mir ist gerade klargeworden, dass ich vor dem Essen erst noch einkaufen muss. Und du? Gehst du zum Stall?«
    »Yep.« Jim nickt.
    »Ach, ich komme mit«, sage ich, und wir schlagen den gleichen Weg ein.
    »Francis holt gerade Lunch. Wenn wir uns beeilen, erwischen wir ihn noch.«
    Das ist ein ungewöhnlich langer Satz für Jim. Eigentlich ist er wortkarg – ein Vermonter. Doch wenn er erzählt, ist seine Stimme ölig und geschmeidig wie flüssiger Honig. Sein Englisch ist breit, und von vielen Wörtern verschluckt er die letzten Silben.
    »Wie war die Reise?«
    »Gut«, sage ich und habe das Gefühl, dass meine Reise vor allem eines ist: endlos. Wo hat meine Reise eigentlich begonnen?, frage ich mich. »Es ist ein Geschenk, hier sein zu dürfen«, füge ich hinzu.
    »Ja, das ist es.«
    Die Wälder haben auch Jim nicht vom Leben verschont – im Gegenteil. Er war verheiratet, doch bei seiner Frau diagnostizierte man kurz nach der Hochzeit Krebs, der Tumor saß in ihrem Nacken. Die Chemotherapie führte zu unvorhersehbaren Persönlichkeitsveränderungen. Sie wurde hysterisch, was Jim schließlich dazu bewog, nach mehreren Monaten des Aushaltens in die Garage im Haus seines Vaters zu ziehen. Soweit ich weiß, erlag seine Frau Jahre später ihrer Krankheit. Kurz nach ihrem Tod schnitt sich Jim seinen Zopf ab und spendete das Haar. Mittlerweile sind seine dunklen, von grauen Strähnen durchzogenen Haare wieder länger, er hat eine neue Lebensgefährtin gefunden und ist Vater eines kleinen Sohnes. Es gibt Menschen, mit denen redet man und redet und hat das Gefühl, sie bleiben immer Fremde. Mit Jim habe ich in den zwanzig Jahren, die ich ihn kenne, wenig gesprochen, aber ich habe das Gefühl, ihn trotzdem sehr gut zu kennen. Mich verbindet eine besondere Freundschaft mit ihm, da wir am selben Tag Geburtstag haben. Vielleicht war ich auch mal etwas in ihn verliebt. Ich war diese Vollblutpfadfinderin und habe Jim so bewundert, weil er Tierfährten im Matsch lesen konnte und weil er so viel von sich verbarg. Er ist wie Wild – man braucht Stunden, um es aufzuspüren. Und dann, wenn man es auf einer Lichtung erblickt, steht es minutenlang bewegungslos da und beobachtet einen. Ich habe Jim nie rennen sehen. Er geht immer kraftvoll und gemächlich, immer in Gedanken versunken, wie es scheint. Alles, was er tut, ist Muskelkraft oder Ruhe, darüber hinaus gibt es für ihn nur den Rückzug. Und wenn man ihm nicht nachgeht, ihn über seine Zeit als Firefighter in der Wildnis von Oregon und Wyoming oder die Technik, Biber zu fangen, ausfragt, bleibt Jim stumm. So verschmilzt er im Wald mit seiner Umgebung. Und er ist nur einer der vielen kantigen Charaktere, die man hier aufspürt.
    Die Vermonter sind nicht besonders religiös, was sie von den anderen Bewohnern der ländlichen Regionen weiter westwärts stark unterscheidet. Man trifft sich eher bei der Jahresfeier im Feuerwehrhaus. Die Vermonter leben als verkannte Maler, Aussteiger, Witwen, Schreiberlinge oder Farmer in den Grünen Bergen. Jim ist vor allem Jäger, Gesellschaftsflüchtling und Hippie.
    Wir stehen vor den roten Toren des Stalls. Er ist auf die Anhöhe gegenüber vom Haupthaus gebaut. Von Pferdeschweiß süßliche Luft schlägt mir aus den weit geöffneten Schiebetüren entgegen. Das Radio läuft, und ich höre die Pferde, die, den Kopf aus dem Fenster gestreckt, in der Sonne dösen oder mit den Nüstern im Heu stöbern. Ich gehe zu jedem hin und streiche ihm über die Stirn. Giovanni, ein kecker Brauner, wendet sich von mir ab und steckt seine Nase wieder ins Heu.
    Francis ist schon losgefahren. Jim ruft im Country Store an und bestellt ein »Speck-Salat-Tomaten-Sandwich mit Vollkornbrot, Senf und einer extra Gurke« für mich.
    Aus dem Radio kommen Nachrichten. Es steht auf einem Hocker neben der offenen Box, in der die Pferde nach der Arbeit abgeduscht werden.
    Eins der

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