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Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Jacobs
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ich Teil der Gang, die wir Nachbarskinder bildeten und zu der auch Fabio gehörte. Bei allabendlichen Treffen in den Frühlings- und Sommermonaten trafen wir Nachbarskinder uns für allerlei Unfug und Gemeinheiten auf der Straße vor unserem Haus und spielten, bis unsere Mütter zum Abendessen riefen. Oder nach dem Abendbrot, bis in die Nacht. Wir fuhren Rollschuh um die Wette, spielten Verstecken, bis es dunkelte, und entfachten aus den Hölzern, über die wir mit dem Skateboard sprangen, ein Feuer. Wir erzählten uns Geschichten aus der Schule (es gab nur eine Grundschule im Dorf), lästerten über unsere Feinde und schrieben Mutproben und Leistungstests aus. Zum Beispiel in Form von Radrennen. Immer zwei aus der Gruppe wurden ausgewählt, um gegeneinander anzutreten. In die entgegengesetzten Richtungen wurde gestartet. Rund um unser Haus verlief die Rennstrecke, und wer von den beiden zuerst wieder am Start ankam, hatte gewonnen. Ich wurde ausgewählt, um gegen Roman anzutreten. Roman hatte ein rundes Gesicht, volle Lippen und dunkle Haut und Haare. Er war schweigsam und wohnte zwei Häuser weiter. Seine Eltern hatten Hühner im Garten. Das Kommando zum Start gab mein Bruder. Ich raste die Straße runter, bog bei der Zoohandlung Meierhans nach links ab, bei der nächsten Gabelung wieder nach links, sprintete auf der Rückseite unseres Hauses die Straße hoch und sah von weitem, dass Roman sich, genau wie ich, dem Ziel näherte. Ich fuhr so schnell ich konnte auf ihn zu. Um alles in der Welt wollte ich die Erste sein. Doch da er das Gleiche wollte wie ich, rasten wir aufeinander zu, und keiner wollte ausweichen, keiner wollte bremsen, und so knallten wir am Ziel beide gegeneinander.
    Wieder eine Schramme mehr an meinem Ellbogen. Aber dafür unentschieden.
    Wenn wir alle fünfzehn Kinder aus der Nachbarschaft zusammentrommeln konnten, spielten wir Verstecken. Der Sucher zählte mit geschlossenen Augen von zwanzig runter auf null. In der Zeit musste sich jeder ein Versteck suchen. Bei null öffnete der Sucher die Augen und durfte nun von seinem Ausgangspunkt drei Schritte machen, um die Versteckten zu erspähen. Konnte er keinen finden, begann er bei neunzehn runterzuzählen. Alle hechteten aus ihren Verstecken, rannten zu dem Sucher hin, berührten ihn mit einem Handschlag und versteckten sich aufs Neue. Wieder durfte der Sucher drei Schritte machen. Wenn er jemanden erkannte, rief er ihn beim Namen aus seinem Versteck, dann begann er wieder bei achtzehn runterzuzählen und so weiter. Ich liebte dieses Versteckspiel. Und gerade, wenn nur noch zehn Sekunden Zeit blieben, sich zu verstecken, hechtete ich ins Laub, unter die Böschung oder hinter eine Hecke und lag mit hämmerndem Puls im Gras. Dieser Nervenkitzel kannte nur eine Steigerung: Klingelstreich.
    Wir hatten eine Menge Unfug im Kopf.
    Als der Acker am Ende unserer Sackgasse aufgerissen und mit Siedlungshäusern bepflanzt wurde, kletterten wir über die Bauzäune und schlichen um die Rohbauten der Häuser herum. Auf den Gerüsten musste man immer etwas geduckt gehen. Als einer aus unserer Gang laut »Polizei!« rief, richtete ich mich auf und rannte blindlings gegen die nächste eiserne Querstrebe. Gegen das blaue Auge half mir im ersten Augenblick nur meine dreckige Hand. Zu Hause erklärte ich knapp: »Beim Skaten.«
    Wir versuchten, mit Steinen Alarmanlagen auszulösen, und lockten die Nachbarstöchter Bänziger mit scheinheiligen Sprüchen aus dem vergitterten Haus, um sie dann mit Wasserbomben durch die Straßen zu jagen.
    Doch bald musste der eine oder andere unserer Gang für »Prüfungen lernen«. Das war neu, seit manche von uns in die Oberstufe gingen. Eines Nachmittages klingelte ich bei Roman an der Tür, seine Mutter öffnete und sagte, Roman habe keine Zeit mehr, er müsse »lernen«. Da wusste ich, nun ist es vorbei. Bald darauf kam keiner mehr zum Skaten oder Versteckenspielen auf die Straße.

12
    Wi e der Schatten eines Scheinriesen wuchs der Ernst des Lebens, je älter ich wurde. Wie die meisten aus meiner Klasse wollte ich nach Abschluss der Grundschule auf die Sekundarschule in unserem Dorf wechseln. Ich sah der dreimonatigen Probezeit gleichgültig entgegen, obwohl man nur nach bestandener Probezeit auf der Sekundarschule bleiben durfte.
    Während die Oberteile meiner Mitschülerinnen immer enger wurden, wurden meine T-Shirts immer weiter. Manchmal kommentierten Mädchen meine Kleidung mit verwunderten, abschätzigen Blicken – das war

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