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Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Jacobs
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niedersausen, dass der Balken um fünf Zentimeter einsackt.
    »Verdammt«, sage ich.
    »Hier«, er gibt mir den Hammer zurück. »Denk an jemanden«, und damit geht er und holt eine neue Planke heran. Als sei sie aus Plastik, schwingt er sie auf die Schulter und stapft durch die Erde. Er legt sie vor sich hin und reibt die Hände aneinander. Ich lege den Hammer in meine andere Handfläche.
    Es hat keinen Sinn, ich kann mich vor nichts und niemandem verstecken. Am Ende stehe ich immer wieder vor mir selbst. Es ist egal, wohin ich renne. Vieles kann ich zurücklassen, aber mich selbst werde ich so schnell nicht los.
    Das Wasser des Bachs gluckert, die Sonne lässt es glitzern. Ich hole aus, lasse den Hammer auf das Holz krachen – es fühlt sich gut an. »Na, geht doch.« Jim schmunzelt. Er tauscht die Planken aus, steckt jede in die Schlitze der Pfähle und richtet den Zaun so, dass alle drei Planken waagerecht übereinanderliegen. »Und jetzt auf beide noch zweimal draufhauen, dann sitzen sie tief genug.« Mit dem Bohrer schraubt Jim die Plastikhaken an, durch die wir den später elektrisch geladenen Draht ziehen. Die Enden werden an den anderen Haken verknotet, und zuletzt wird angespannt. Bei dieser Arbeit schneide ich mir die Hände und Fingerkuppen auf. Der Draht ist furchtbar widerspenstig und lässt sich auch mit der Zange nur schwer biegen. Er krümmt sich immer wieder zurück, und ich muss mir schließlich Jims Handschuhe ausleihen. Endlich habe ich die Enden so gut es geht verknotet. Jim spannt den Draht, nun wirkt der Zaun wieder unumstößlich. »Schafe, sagt man, sind ziemlich blöd. Aber sie sind sehr freiheitsliebend.«
    Ich nicke, schaue zu Jim hoch, verziehe meinen Mundwinkel zu einem schmalen Lächeln, streife den linken Handschuh ab und lutsche an meinem Zeigefingerknöchel. Er schmeckt nach Blut. Ich hebe den Hammer auf und den Bohrer. In die andere Hand nehme ich die Drahtrollen, während Jim den Deckel des Werkzeugkastens zuklappt. Alles landet auf der Ladefläche. Ich ziehe auch den anderen Handschuh ab und reiche Jim beide. Er wirft sie zum Werkzeug dazu.
    Die Sonne sinkt. Meine Hände werden kalt. Um uns herum ist es still geworden. Ich würde Jim gerne fragen, was er heute Abend vorhat, aber ich traue mich nicht. Seine Körpersprache vermittelt mir irgendwie: bis hier und nicht weiter. Oder täusche ich mich? Wartet er auf ein Signal von mir? Ohne zu reden, fahren wir runter zum Shed, dem Geräteschuppen, und verstauen das Werkzeug.
    »Okay, dann gehe ich mal zurück«, sage ich etwas zu leise.
    Jim lächelt.
    »An wen denkst du, wenn du diese Dinger in die Erde hämmerst?«, frage ich in die Stille.
    Jim schiebt Öl- und Benzincontainer hin und her, um sich Platz auf dem Bord zu schaffen für die Kiste mit den Haken, die er in seinen Fingern hält. »Ich weiß nicht, an mich selbst vielleicht, das reicht, um solche Löcher zu flicken.«
    Ich schiebe mit der Fußspitze Kiesel hin und her. »Jim«, ich zögere. »Sag immer Bescheid, wenn ich dir mit irgendwas helfen kann. Ich will mich hier auch ein bisschen nützlich machen.«
    »Klar«, murmelt Jim. Er zieht die Tore des Schuppens zu und legt den Riegel um.

5
    Di e Zeit verging im Flug. Im September feierte ich meinen 16. Geburtstag. Meine Eltern schickten ein Paket mit kleinen Geschenken, und ich wurde von Freunden meiner Eltern in Hartland zum Abendessen eingeladen. Als ich an jenem Abend wieder auf der Schule eingecheckt hatte, setzte ich mich auf die Veranda vor meinem Dorm und widmete mich meiner Bescherung. Ich saß keine fünf Minuten, als Mrs. Paton durch die Fliegentür trat (morgens hatte sie mir noch einen Zitronenkuchen mit Fertigteig aus der Packung gebacken, diesen mit Zuckerguss bepinselt, bunte Kerzen aufgesteckt und im Schein der sechzehn Flämmchen ein Ständchen dargebracht). »Es ist schon fünf nach neun. Du hast bestimmt noch Hausaufgaben zu erledigen?«
    »Es ist mein Geburtstag. Die Aufgaben sind mir gerade ziemlich egal.«
    »Zehn Minuten.«
    Ich vertrieb die Frau mit meinen hasserfüllten Blicken und dem stummen Vorwurf, sie sei eine falsche, gläubige Schlange.
    »Ten minutes!«
    Ich arbeitete an meinen Hausaufgaben meist doppelt so lange wie die anderen, da mein geschriebenes Englisch noch längst nicht so sicher und fließend war wie mein gesprochenes. Wenn es um amerikanische Geschichte oder Themen aus der Biologie ging, musste ich jedes zweite Wort nachschlagen. Um den Inhalt dessen zu verstehen, was ich da

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