Fraeulein Jensen und die Liebe
schmerzerfüllt zur Seite drehen. »Das muss sein, du hast es ja gleich geschafft«, werde ich dann (gespielt streng) sagen und ihm zulächeln. Das wird ja traumhaft.
Während ich ein wenig wegdämmere, erzählt Martin Lacey weiter. Die Arbeit gehe ihm über alles. Aber eigentlich könnte man gar nicht von Arbeit sprechen, da die Arbeit sein Leben sei. Des wegen mache er auch nie Urlaub. Denn vom Leben müsse man sich bekanntlich keine Auszeit nehmen. Er lacht. Nun gut, manchmal fliegt er für ein Wochenende nach Südafrika zu Freunden. Aber ansonsten? Martin Lacey schüttelt den Kopf. »Klar, als ich letztens in Monte Carlo beim Festival war oder als ich den Papst besucht habe – klar, das war schon ein wenig Urlaub. Arbeitsurlaub sozusagen.«
Himmel. Ich sehe mich schon, wie ich ihn demnächst auf seinen Reisen begleite. »Schatz«, werde ich ihm hinterherrufen, während er unsere Koffer im Wagen verstaut. »Hast du auch deinen Smoking eingepackt? Denk dran, morgen Abend sind wir beim Papst.« Ich würde das so selbstverständlich sagen, wie andere Frauen ihre Männer an die Einladung zum Raclette-Essen bei den Schmidts erinnern.
Ich lächle in seliger Gewissheit vor mich hin, das wird einfach fantastisch. Jetzt noch schnell eine pseudointeressierte Frage zu seinen Löwen stellen, dann geht es in den zwischenmenschlichen Nahkampf. Hihi.
»Können Sie Ihre Löwen denn auch immer gut einschätzen?«, frage ich. »Ich meine, Vertrauen zu den Tieren ist sicher die Grundvoraussetzung, oder?« Ich lege den Kopf schief und reiße die Augen auf (nicht angsterfüllt, sondern interessiert!).
»Ja, natürlich. Sie haben recht«, sagt Martin Lacey. »Aber wissen Sie: Ich kenne meine Löwen so gut. Ich weiß sogar, wann die Kopfschmerzen haben.« Er lacht.
Okay, jetzt müsste es wohl auch dem letzten Idioten unter der Sonne klar sein: Er ist es! Er weiß, wann seine Löwen Kopfschmerzen haben! Das muss man sich mal vorstellen. Ich kann mein Glück kaum fassen und sehe mich bereits in einer Talkshow sitzen.
»Und wann wussten Sie, dass er der Richtige sein könnte?«, wird die Moderatorin fragen. Kameraschwenk auf mich und Martin.
»Nun, als er sagte, dass er sogar spürt, wann seine Löwen Kopfschmerzen haben«, werde ich sagen und ein wenig erröten. Martin wird in dem Moment zärtlich meine Hand nehmen (Kameratotale auf unsere Hände) und die Moderatorin wird »Ist das nicht romantisch?« seufzen.
Ja, er ist es. Die Zeit für die zweitwichtigste Frage – nach »can we speak German?« – ist also gekommen.
»Wäre es für Sie wichtig, dass Ihre Lebensgefährtin auch aus dem Zirkus kommt?«, frage ich. Natürlich hatten Pia und ich diese Frage der Fragen in verschiedenen Betonungen und mit verschiedenen Mimiken geübt. Wir hatten uns dann dafür entschieden, dass ich etwas nuscheln (kommt beiläufig rüber, so unsere Analyse) und den Blick flüchtig durch den Raum schweifen lassen sollte (unterstützt die Wirkung des Nuschelns).
»Was sagten Sie?«, fragt Martin Lacey. Ich glaube, zu nuscheln und währenddessen orientierungslos durch die Gegend zu glotzen war doch keine gute Idee. Ich wiederhole die Frage Silbe für Silbe und hänge gebannt an seinen Lippen.
Mist, der Tisch ist so breit. Wenn er jetzt sagt »Eigentlich ist mir das schon sehr wichtig, da man gleiche Interessen hat. Aber Sie scheinen mir auch sehr interessiert zu sein« und mir dann frivol zuzwinkern würde, könnte ich ihn gar nicht spontan umarmen, da meine Arme zu kurz für diesen doofen, alten Holztisch sind. Egal, dafür wird sich eine Lösung finden.
»Na ja«, sagt er. »Eigentlich ist mir das nicht so wichtig. Aber meine Frau kommt eben auch vom Zirkus. Das hat sich aber mehr aus Zufall ergeben.«
»Ihre Frau?«, frage ich und höre mich schreien: »Das ist ja furchtbar!«
Ich versuche, schnell wieder die Fassung zu bekommen.
»Und was macht sie im Zirkus?«, frage ich scheinbar interessiert und zwinge meine Mundwinkel, das in dieser Situation schier Unmögliche zu vollbringen: nach oben zu gehen.
»Sie dressiert die Pferde«, sagt Martin Lacey.
Aha. Die Pferdedressur. Da sieh einer an. Das könnte ich auch. Schließlich hatte ich zwischen zwölf und dreizehneinhalb eine innige Pferdephase, »Wendy«-Abo und Urlaub auf dem Ponyhof inklusive. Das ist machbar. Ich bin erleichtert.
»Ach so«, sagt Martin Lacey plötzlich. »Hab ich ganz vergessen: Sie dressiert natürlich auch unsere Elefanten.« Meine Mundwinkel, so tapfer nach oben
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