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Fraeulein Jensen und die Liebe

Fraeulein Jensen und die Liebe

Titel: Fraeulein Jensen und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hansen
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Verabredungen häufen sich die Tage, an denen ich fettige Haare habe und eine Jogginghose trage. Wenn mich jetzt jemand kennenlernen würde, wird er fragen: »Siehst du eigentlich immer so aus«?
    »Nein. Aber auch wenn man es mir nicht ansieht: Ich bin gerade dabei, mir einen Traummann zu suchen.«
     

     
    »So, wir besinnen uns jetzt auf die Primärtugenden.«
    Pia wirkt wild entschlossen und optimistisch. Wenigstens eine von uns beiden.
    »Und das heißt?«
    Sie drückt mir einen Stift und ein leeres Blatt Papier in die Hand. »Ich komm mir langsam wirklich wie deine Therapeutin vor. Aber nun, was macht man nicht alles für eine Freundin, die endlich Ruhe gibt, wenn wir hiermit durch sind?«
    »Du Pia, genau darüber wollte ich schon mit dir reden. Ich habe ja schon vier Männer hinter mir. Die Chancen, dass unter den verbleibenden sechs Männern Mister Perfect dabei ist, sind ja nicht wirklich groß. Sag mal, wenn nun alle Stricke reißen, glaub ich ja nicht, aber wenn, dann könnte ich doch ...«
    »Nein, dann könntest du gar nichts. Abmachung ist Abmachung.« Pia hat ein Herz aus Stahl.
    Sie schüttelt energisch den Kopf und zeigt wortlos auf Zettel und Stift.
    »Also, was soll ich damit?«
    Pia kichert. Kein gutes Zeichen. »Nun, für die heutige Sitzung habe ich mir für Sie den Ansatz der Gestalttherapie ausgesucht, Fräulein Jensen.«
    »Ich soll malen? Das kann nicht dein Ernst sein.«
    Ich korrigiere: Pia hat kein Herz aus Stahl. Sie hat gar keins. Denn wenn ich eins nicht kann, dann ist es malen.
     
    Ich male wie eine Fünfjährige. Nein, jetzt tue ich allen Fünfjährigen dieser Welt unrecht. Ich male wie eine Dreijährige, die gerne wie eine Fünfjährige malen würde. Egal ob Hund, Katze, Haus, Auto – alles besteht aus ein paar Strichen und Kreisen. Ein Elefant zum Beispiel sieht in etwa so aus:
     

     
    Wenn ich eine Einladung zu einem Spieleabend bekomme, frage ich immer zuerst, ob eventuell auch »Activity« auf der Tagesordnung steht, dieses elende Spiel, bei dem man Begriffe zeichnen muss. Wenn dann die Gastgeber sagen: »Stimmt, das ist eigentlich eine super Idee«, fällt mir genau in dem Moment ein, dass meine Oma just an dem Tag ihren 90. Geburtstag feiert oder ich hundertprozentig eine Magen-Darm-Grippe haben werde. »Es grummelt schon jetzt so komisch, ich will euch ja auch nicht alle anstecken.«
    Mein Maldefizit – ist das eigentlich ein anerkannter Begriff? – war mir schon immer bewusst. Wenn ich mir als Kind die Montagsmaler angesehen habe, musste ich manchmal schlagartig weinen. Mir war schon damals klar, dass das kreative Leben mit einem Stift in der Hand an mir vorbeiziehen würde wie der stete Verkehr auf der Autobahn, während man selbst für immer und ewig auf dem Standstreifen steht.
    Meinen künstlerischen Tiefpunkt hatte ich bei der Hochzeit meiner Schulfreundin Katja. Katja, begeisterte Hobby-Malerin, hatte jede einzelne Tischkarte für 87 Gäste mit dem Konterfei der betreffenden Person bemalt. Die Bilder waren so gut, dass manche Gäste sie zu Hause sogar einrahmen wollten. Bis zum Hauptgang waren Katjas blöde Bilder das Hauptgesprächsthema am Tisch. »Malen Sie auch?«, wurde ich von meiner Sitznachbarin gefragt. »Nein«, nuschelte ich und biss mich absichtlich extrem lange an einer Krokette fest. »Ich finde es wunderbar, wenn man dieses Talent hat«, fing meine Tischnachbarin wieder an. »Es gibt ja Leute, die haben so gar keine künstlerische Ader. Ich bin mir sicher, dass denen etwas fehlt.«
    Ich gab ein widerwilliges »Mmh« von mir und leitete gekonnt über zu Katjas »zauberhaftem, ganz zauberhaftem Kleid«. Smalltalkratgeber hätten mich gelobt für diesen Themenwechsel.
    Nach dem Essen gab es dann etliche »Darbietungen«. Katja und ihr Mann Joachim mussten sich gegenseitig mit verbundenen Augen die Zähne putzen (Joachim war Zahnarzt!), dann musste die Hochzeitsgesellschaft auf die Melodie von »Morning has broken« den Text »Liebe hat Hoch-Zeit« singen und irgendwann standen plötzlich auch noch Katjas Freunde vom Malkurs an der Volkshochschule auf und klopften bedrohlich an ihre Gläser.
    »Alle mal herhören«, sagte ein großer Mann mit wilden Locken. »Wie wir ja alle wissen, ist unsere Katja eine begnadete Malerin.« Er hob seine Tischkarte hoch und erntete ein anerkennendes Raunen. »Doch damit Katja mal in den Genuss kommt, Kunstwerke nicht nur selbst zu malen, sondern auch zu bekommen, werden wir jetzt alle ein Porträt von unserem

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