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Fraeulein Jensen und die Liebe

Fraeulein Jensen und die Liebe

Titel: Fraeulein Jensen und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hansen
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Unterschriftenaktion setzte ich durch, dass Mädchen während ihrer Periode sowie fünf Tage davor und danach nicht am Sportunterricht teilnehmen mussten. Zwei Jahre später schaffte Lobinger wieder die Sechs-Meter-Hürde. Ich machte in dem Jahr mein Abitur, und als bei der Abschlussfeier die Schüler mit den meisten Fehlstunden öffentlich genannt wurden, war auch mein Name dabei: im Fach Sport.
    Während ich nach und nach akzeptierte, dass das Thema Sport mit meiner Persönlichkeit nur schlecht vereinbar ist, wurde Tim bei der EM in München 2002 Dritter, vier Jahre später Zweiter und 2006 wurde er in Moskau sogar Weltmeister.
    Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich sehr wohl sportlich sein könnte. Ich bin mir sicher, dass auch mein Körper theoretisch dazu in der Lage wäre, sich schneller als ein Kind auf dem Dreirad fortzubewegen. Aber: Ich sehe einfach keinen Sinn darin. Ich meine, warum tut der Mensch so etwas? Ich fühle in dieser Hinsicht eine große Verbundenheit mit Löwen. Sie liegen auch nur in der Gegend rum und bewegen sich nur, wenn sie Beute jagen müssen. Das finde ich logisch. Und da meine Beute bereits schon erlegt und fertig zum Verzehr verpackt wurde (ich kann nichts dafür, dass es diese Entwicklung seit der Steinzeit gegeben hat), gibt es keinen Grund, warum ich mich bewegen müsste. So einfach ist das.
    Neulich habe ich außerdem gelesen, dass es den gleichen Effekt hat, wenn man sich nur vorstellt, dass man Sport macht. Ähnlich wie die »Man-bekommt-einen-flachen-Bauch-durch-grüne-Lebensmittel«-Offenbarung führte diese Meldung zu einer Wendung in meinem Leben. Seitdem sitze ich jeden Donnerstag von 19 bis 20 Uhr auf dem Sofa und stelle mir intensiv vor, wie ich einen Triathlon bestreite. Ob ich Tim Lobinger einfach sage, dass ich Triathletin bin, wenn er mich fragt, ob ich auch Sport mache? Eigentlich könnte ich das doch mit gutem Gewissen behaupten. Und er wird mich ja wohl kaum zwingen, dass ich ihm etwas vorschwimme.
    Ach herrlich, Tim Lobinger, der Held meiner Jugend, wird hoffentlich bald realer Bestandteil meines Lebens sein (Willi und Winnetou kann ich ja schlecht aufsuchen). Dieser komische Tee von Caro ist also doch zu etwas gut. Aber wie unangenehm, wenn ich wirklich über die Yogi-Botschaft meinen Traummann Tim Lobinger finde.
    »Wie bist du damals eigentlich auf mich gekommen?«, wird er mich im Rausch der Gefühle fragen und mich mit erwartungsvoll großen Augen ansehen.
    »Nun, ein Teebeutel hat mir den Weg gezeigt.«
     

     
    Der nächste Morgen. Ich muss jetzt gleich aktiv werden und die kosmischen Strahlen von gestern ausnutzen, die mich treffsicher zu Tim Lobinger gelotst haben. Es ist ein verdammt gutes Gefühl, wenn man von einer höheren Macht im Leben gelenkt wird. Auch wenn es nur ein Yogi-Teebeutel ist.
    Mithilfe des profanen Internets mache ich das Management von Tim Lobinger ausfindig und schreibe meine Interviewanfrage. Die Mail schreibt sich innerhalb von zwei Minuten; meine Finger gleiten über die Tastatur, als hätten sie noch nie etwas anderes getan. Na ja, immerhin haben sie genau diese Sätze ja auch schon fünf Mal formuliert. Oh Gott, fünf Mal. Verkommt diese Traummannsuche etwa zur Fließbandarbeit?
    Nein.
    Tim Lobinger ist ein besonderer Mensch. Und besondere Menschen brauchen besondere Interviewanfragen.
    Bevor ich auf »senden« klicke, schreibe ich noch einen echten »Coup« in die Mail hinein:
    »Vielleicht könnte ich das Interview mit Tim Lobinger führen, während ich mit ihm trainiere. Ich schaffe in meinen Interviews immer gern eine außergewöhnliche Atmosphäre. Meine langjährige Erfahrung als Journalistin hat mich gelehrt, dass die Gespräche dadurch eine besondere Note bekommen. Ich würde mich sehr freuen, wenn es mit einem sportlichen Interview klappen würde. Ihre Hannah Jensen«.
     
    Natürlich rechne ich damit, dass der Manager meine Bitte ablehnt. Welcher Promi will schon, dass eine Journalistin mit ihm trainiert?? Aber sicher wird er Tim Lobinger von meinem Wunsch erzählen. Und der wird dann denken: »Wow, die muss ja echt eine Sportskanone sein.«
    Auch wenn ich mich nicht gerne selbst lobe. Das ist einfach ein genialer Schachzug. In dieser ganzen Traummannsuche werde ich immer ausgebuffter. Aber nur so kommt man ans Ziel. Und an Tim Lobinger. Zufrieden klicke ich auf »senden«.
     

     
    Wie schnell man doch aus einem zufriedenen Menschen ein panisches, verzweifeltes, mutloses, gebrochenes Etwas machen

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