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Fraeulein Jensen und die Liebe

Fraeulein Jensen und die Liebe

Titel: Fraeulein Jensen und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hansen
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was sieht dieser Mann bloß gut aus.
    »So, und nun brauche ich wieder eine Person, die mir bei dem nächsten Versuch hilft.« Er lässt suchend seine Augen durchs Publikum schweifen. Diejenigen, die unbedingt aufgerufen werden wollen, blicken ihn erwartungsvoll an. Und diejenigen, deren wahr gewordene Horrorvorstellung es ist, aufgerufen zu werden, blicken unauffällig auf den Boden. Ich sehe gleichgültig stumpf geradeaus. Denn wenn eins sicher ist: Ich werde nicht aufgerufen. Ich gewinne bei keinem Preisausschreiben, ich bin nicht der tausendste Besucher im Einkaufszentrum, und ich werde auch in einem Stadion nicht von der Kamera erfasst und winke dann aufgeregt, wenn ich mich auf der Leinwand erkenne. Kurz: Ich gehe in der Masse unter wie ein kleiner grüner Grashalm auf einer riesigen grünen Wiese.
    »Dürfte ich Sie bitten, zu mir auf die Bühne zu kommen?«
    Er zeigt auf mich.
    Ich drehe mich um und nicke der Frau hinter mir zu. »Los, jetzt gehen Sie schon.« Diese schüttelt den Kopf.
    »Der meint dich«, flüstert Pia neben mir. Und ich höre mich mit einer grellen Stimme rufen: »Mich?«
    Thorsten Havener lacht. »Ja, genau Sie. Kommen Sie auf die Bühne, tut auch nicht weh.« Sehr witzig. Das Publikum klatscht.
    »Hab keine Angst, ich hab dich immer im Blick«, flüstert mir Pia noch zu, bevor ich wie ferngesteuert zur Bühne laufe. Mein Gott, glaubt Sie, dass er mich gleich zersägen oder in einen Hasen verwandeln wird?
    »Schön, dass Sie mitmachen!« Thorsten Havener gibt mir die Hand (mmh, samtweich!) und strahlt mich selbstsicher an (bombastisch weiße Perlweiß-Zähne).
    »Hatte ich eine Wahl?«, würde ich gerne fragen, doch meine Stimme versagt. Natürlich. Denn das war schon immer so: Wenn ich aufgeregt bin, werde ich zu einem stummen Fisch. Als ich zum ersten Mal bei Stefans Eltern zum Abendessen eingeladen war, war ich dermaßen nervös (es waren schließlich meine Schwiegereltern in spe, so dachte ich!), dass ich noch nicht einmal mehr den Namen von Gerhard Schröder herausbrachte, als das Gespräch auf die nächste Bundestagswahl kam.
    Woran man nicht alles denkt, wenn man auf einer Bühne steht.
    Oh Gott. Plötzlich wird mir schlagartig klar, dass ich eine gelbe Bluse trage. Eine gelbe Bluse! Die trage ich sonst nie. Ich habe sie heute nach meinem Besuch im Solarium nur aus den Untiefen meines Schranks gekramt, da ich dachte, meine zarte Bräune würde damit besonders gut zur Geltung kommen. Nun kommt aber vor allem eins besonders gut zur Geltung: mein hochroter Kopf. Wenn man mir jetzt noch etwas Grünes in die Hand drückt, sehe ich aus wie eine lebende Ampel. Und das vor 500 Zuschauern. Das darf doch alles nicht wahr sein.
    »So, beginnen wir nun mit dem Experiment. Fertig?«
    Ich nicke wie in Trance.
    »Denken Sie bitte an jemanden, den sie gerne haben. Und dann werde ich versuchen, diesen Namen herauszubekommen. Und zwar nur, indem ich Ihnen in die Augen sehe.«
    Gott bewahre. Ich nicke.
    Thorsten Havener sieht mich an. Er hat dunkle Haare und grüne Augen. Das ist selten und ungewöhnlich schön. Der Anzug steht ihm fantastisch. Und er sieht so sympathisch aus. Mit kleinen Lachfalten um den Mund.
    »So geht das nicht«, sagt er plötzlich. »Sie sollen an eine Person denken, die Ihnen nahesteht. Und nicht an mich!«
    Das Publikum johlt. Und ich nehme die Farbe eines Stoppschildes an.
    Also gut, an wen denke ich? An Pia? Nein, ausgeschlossen. Denn dann würden 500 Leute denken, ich sei lesbisch. Dieses Risiko will ich nun wirklich nicht eingehen, schließlich könnte es ja sein, dass irgendwo da unten im Publikum (herrje, sind das viele, mir wird schlecht) mein Mister Perfect sitzt und er mich nur deswegen hinterher nicht anspricht, weil er glaubt, lediglich eine Pia habe Platz in meinem Herzen.
    Also jemand anderes. Mir fällt auf die Schnelle nur Elvis ein. Kurz vor der Show rief mich meine Mutter aufgelöst an. »Hannah, wir sind ziemlich bedient. Elvis hat schon zweimal auf unseren Perserteppich gekotzt. Papa ist schon seit einer Stunde mit dem Teppichreiniger zugange.« Also gut, in Erinnerung an meinen kotzenden Hund: Ich nehme Elvis. Wen sollte ich auch sonst nehmen?
    »Haben Sie jetzt jemanden?«, fragt Thorsten Havener.
    Ich nicke (Stimme immer noch weg). Und denke an Elvis. Elvis. Evis. Elvis.
    Nach einer Minute nickt auch Thorsten Havener. »Okay, ich habe etwas empfangen. Ist es ...« Pause. »Elvis?«
    Ich höre einen gellenden Schrei von Pia aus dem Publikum. Und nach

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