Fraeulein Stark
besser, sie glauben zu lassen, was sie von mir erwartete, und manchmal glaubte ich sogar selbst, daß es keinen Frömmeren gebe als mich, die grundbrave, kreuzkatholische, kantsittliche Variante. Aber ach, es waren die letzten Tage von Aranjuez, es war mein letzter Sommer, bald würde ich nur noch Männer sehen, Knaben und Mönche in Schlaf- und Eß-und Studiensälen, dunkel drohte das Kloster am Horizont, in den leeren Gängen wurde es kühler, die Abend’ schöne kam früher, die Hochzeitspaare wurden seltener, die Gruppen dünner, die Strümpfe dicker, und kam eine daher, die schon von weitem den Anschein machte, als würde sie vor dieser wie eine Brandungswelle sich aufwerfenden Barockpracht in ein verzücktes Staunen versinken, schlug ich natürlich zu. II faut profiter de l’occasion, hatte der Onkel gesagt. Also nahm ich eine Nase voll, und blieb sie, noch immer in Verzückung, ein Sekündchen stehen, versuchte ich diskret einen Blickunter ihren Rock zu werfen. Kein Problem, Ärger gab es kaum noch, inzwischen arbeitete ich perfekt, was rede ich, Arbeit war es nicht, eher Hingabe, Verehrung, das stumme Gebet eines Knienden, der aus dem Knistern von Unterröcken das Innere der Geheimnisse flüstern hört. Verstand ich es? Wohl kaum, die Gärten blieben verschlossen, ich konnte sie nicht betreten, doch roch ich, ähnlich wie der Fata Morganen erlebende Wüstenvater, den süßen Brodem der Büsche im Sinken der Sonne, glaubte das Plätschern der Brunnen zu hören und das Spiel eines lauen Lüftchens in den Rispen der Palmen… o Gott! der Junge! Elfriede!
Sie steht, sie staunt, und der Besserwisser, ihr Gatte, kann es nicht fassen. Sofort daher, Elfriede, merkste nicht, wo der Nasenzwerch seine Stielaugen hat!
Ph! Auf Zicken bin ich nicht angewiesen, sollen sie x-beinig zurückweichen oder von ihrem Besserwisser weggezerrt und ausgeschimpft werden, es kümmert mich nicht, es ist mir egal, schließlich brauchte ich nur zu warten, bis eine kam, die mir ihre Geheimnisse darbieten würde. Mein Schädel, müde geworden, hing leicht schräg am Boden. Eine freche Lauerstellung, um von unten nach oben zu spähen? Nein, um die dritte Nachmittagsstunde ist alles am Erschlaffen, am Dösen, am Dämmern, der Heiland stirbt am Kreuz, der Onkel zieht sich in sein Tabulanum zurück, die Stark in die Küche, der Türgreis hat sein Mützengesicht, und ich, der kleine Katz, lege mich schnurrend einer Sommersprossigen zu Füßen, meiner Nachmittagsschönen, einer etwas dickbeinigen, aber -oh dear! freundlichen Engländerin, und wer weiß, wer weiß, vielleicht steigt sie auf mein Angebot ein, vielleicht tritt sie über meine leuchtenden Augen, und jetzt! jetzt! jetzt! reiben sich diese britisch prallen, rosaroten, weiß bestrumpften Innenschenkel so leis, so weich aneinander, daß ihr Geknister wie ein Sternenregen aus dem Zwielicht ihrer Stoffglocke auf mich herabfällt.
Ist es so?
Bleiben Sie stehen, schöne Englische?
Lichtet sich das Dunkel, lüftet sich das Geheimnis?
30
Dessous de luxe, stand auf dem Titelblatt, Spitzendessous aus Seide (in den Größen klein, mittel, weit), und dieser vornehme, schon leicht vergilbte Katalog war alles, was von der Katz-Zellwegerschen Textilfabrik übrigblieb. Das Gebäude verrottete; die Maschinen wurden bei Nacht und Nebel gestohlen; und schon bald lag hinter dem Kuckuck des Gerichtsvollziehers in den weiten, von schlanken Säulen gestützten Sälen ein Wäldchen, Gebüsch wucherte, Teiche glänzten, es gab Kröten und Tauben. Eines Tages, es muß im Frühjahr 33 gewesen sein, marschierte ein Infanterie Bataillon auf und gab dem leeren Gebäude den Rest. Angeblich hatten sie den Häuserkampf geübt, auffällig war aber doch, daß nach dem Abzug des Bataillons der Firmenname Katz-Zellweger seinen vorderen Teil verloren hatte. Den eliminierten Katz schmerzte dies nicht, im Gegenteil, nun hatte Zellweger, der ursprüngliche Besitzer, die verkohlte Ruine allem zu verantworten. Als man Joseph Katz auch die Villa nahm, rettete er die wichtigsten Stoffmuster, den letzten Katalog, ein paar Spitzendessous und fuhr im Automobil davon. Auf dem Rücksitz saßen eine ehemalige Seidenspinnerin aus dem Appenzellischen und seine Tochter Theres, die damals siebenjährig war und wie stets ein hübsches, fein besticktes Sommerkleidchen trug.
Sie hatten eine böse Zeit hinter sich. Die Seidenherrin war im Sterben immer fetter geworden, immer pompöser, der in sie hineinkriechende Tod hatte sie mit
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