Fraeulein Stark
diese Strafarbeit eingebrockt, und Joseph Katz kam nicht umhin, die Torheiten seiner Jüngsten auf die eigene Kappe zu nehmen. Dieser verfluchte Tümpel! -Er fraß nur Geld und brachte Probleme, denn leichtsinnigerweise hatte er ja nicht nur die Pacht, sondern auch die Pflicht übernommen, möglichst rasch den Damm zu flicken und die Rohre zu säubern, damit im Ernstfall, der stündlich erwartet wurde, das Klosterviertel mit Löschwasser aus dem Weiher vor dem Feueruntergang bewahrt werden könnte. Die versprochene Säuberung mußten Flüchtlinge besorgen, Juden und Kommunisten, die frühmorgens mit Fuhrwerken herangekarrt wurden, vermutlich aus einem Lager, aber Genaues wußte niemand, war auch besser so, Pst! befahl ein Plakat, Feind hört mit!
Mit ihrer Arbeit mußte Katz zufrieden sein. An langen Seilen krochen die Juden in die Rohre hinab und holten all das Zeug, das sie verstopfte, aus ihnen heraus. Auch hatten sie am Damm die Risse ausgeschottert und nach seinen Anweisungen eine Treppe aus Holzprügeln in die Böschung gelegt. Aber leider war bei der Kolonne einer dabei, der im Blick etwas Schwermütiges hatte, und natürlich war es diesem Kerl geglückt, der dreizehnjährigen Gymnasiastin mit brandgefährlichen Ansichten den Kopf zu verdrehen.
Joseph Katz war ratlos. Einer wie Tasso Birri, der selbsternannte Ortsgruppenleiter, hatte ein gutes Gedächtnis, und waren sie erst einmal einmarschiert, die Deutschen, gab es für das, was Theres ihrem Rohrputzer nachplapperte, eine ganz andere Strafe als das idiotische Vollschmieren von Heftseiten mit dem Hitlergruß. Bald ist es auch bei uns soweit, sagte der Gymnasialprofessor. Dann wird mit eisernem Besen ausgekehrt, und der Jud, dieser Bazillus im Volkskörper, verschwindet als erster.
Was tun? Noch einmal mit dem Stadtrat verhandeln, den Weiher loswerden, von vorn beginnen? Es hat keinen Sinn mehr, sagte Katz. Geben wir auf.
Da zog die Stark, bis über beide Ohren errötend, eine Pfeife aus der Schürzentasche und hängte sie dem Mann in den Mund. Er ließ den Haken hängen, und zwar für länger, und bald war Joseph Katz, früher Textilfabrikant, jetzt Bademeister, später mein Großvater, mit seiner Bergler-Pfeife derart verwachsen, daß er sie nur noch selten aus der Mundnarbe herausnahm.
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Wäre nur die Nase nicht gewesen! Meine Nase. Seitdem ich entschlossen war, mich zu häuten, das Katzenwesen loszuwerden, geschah gerade das Gegenteil, der Stamm der Katzen wehrte sich, übernahm meine Augen, formte mein Gesicht, und sonderbar, bald schnupperte und schnüffelte dieses Riechorgan derart ungeniert, daß ich hie und da glauben mußte, es gehorche nicht mir, sondern den schön bestrumpften Beinen einer Besucherin. Ich gab ihr die Pantoffeln, dies war meine Pflicht, und siehe da, immer wieder geschah ein kleines Wunder: Her’ abflutende Wärme tunkt den Pantoffelministranten in ihren Duft ein, zwar nur für Sekunden, aber doch lang und tief genug, um aus dem Ministranten einen andern zu machen, einen belohnten Sünder, einen gierigen Düftetrinker. Eine zwiespältige Geschichte! Zum einen war mein Posten über Nacht attraktiv geworden, die Frauen wurden schön und schöner, und es reizte mich immer öfter, ihnen um die langen Beine zu streichen, zum andern jedoch wurde ich mehr und mehr jener andere, jener Fremde, der ich partout nicht sein wollte, mein Ge’ sieht, vielmehr das, was ich dafür zu halten hatte, glotzte mich aus dem Badezimmerspiegel verständnislos, ja angewidert an. Das Gesicht zeigte mir eine Nase, und diese Nase -man soll es nicht für möglich halten! - rümpfte sich über ihre eigene Vorhandenheit.
Und die nächste kam, und sie stieg in die Filzhauben, und wiewohl ich nach wie vor darunter litt, ausgerechnet mit der Nase nach den Katzen zu schlagen, machte es mir doch einen Höllenspaß, das scharfe Ding möglichst nah an ihr leicht angezogenes Knie zu halten und mit geblähten Nüstern hereinzuholen, was deutsche Studienrätinnen und weizenblonde Primarlehrerinnen aus Bern-Bümpliz über mich herabwehen ließen, mal wurstwürzig nach Braten, mal weihnachtlich nach Zimt duftend, mal nach Nivea-Créme, Fisch und unbekannten, heiß ersehnten Fernen. Was für ein Leben! Auf meinem Pantoffelhaufen flog ich von Duftwolke zu Duftwolke, von Frau zu Frau, von Rock zu Rock, die nächste bitte, die nächste, die nächste!
lii, schreit sie, igitt, was blitzt da unten?!
Die Hochtoupierte! Mit geweiteten Augen sieht sie auf mich herab, starr
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