Frag die Karten
ist er dazu gekommen?«
»Mal überlegen.« Nach einer Pause. »Das
Zentrum ist seit zwei oder drei Jahren in der Gegend, an der vierundzwanzigsten
Straße, in den Gebäuden, die früher dem Konvent von St. Lukas gehörten. Gus ist
vor zwei Jahren in Pension gegangen; bis dahin war er Hausmeister in der
Edison-Schule gewesen. Molly fand, daß er eine Beschäftigung brauchte, und ich
glaube, sie war es, die im Blindenzentrum angefragt hat, ob man dort
freiwillige Helfer sucht. Das war zwar nicht der Fall, aber es gab trotzdem
etwas für ihn zu tun, gegen ein geringes Entgelt, also hat man Gus den Job
angeboten.«
Greg lächelte schief. »Also, ich würde
mich nicht darauf verlassen, daß er mich sicher über die Straße führt.«
»Ich auch nicht. Manchmal kommt es mir
so vor, als würde Sebastian ihn führen statt umgekehrt. Aber alles in allem
halte ich ihn nicht für einen, dem man einen Mord Zutrauen könnte.«
Greg begann damit, die Ränder seines
Sauerteigbrötchens zu zerbröseln. »Da hast du sicher recht... Von den anderen
Mietern in deinem Haus habe ich auch keine besonders nützlichen Informationen
erhalten. Es sind wirklich sonderbare Leute.«
»Vielleicht bin ich nicht oft genug zu
Hause, als daß es mir auffallen könnte.«
»Wenn du das nächstemal zu Hause bist,
schau dich ruhig mal ein bißchen um. Da ist dein Hausmeister, der
offensichtlich rund um die Uhr mit einer Bierdose in der Hand spazierengeht. Da
ist der Kerl im ersten Stock, der die riesige Plastik einer nackten Frau in
seinem Wohnzimmer stehen hat — und sonst nichts, mit Ausnahme eines
Schrankbetts. Und dann diese Frau im zweiten Stock, die genau wie eine Hexe
aussieht!«
»Mrs. Neverman.«
»Du kennst sie? Sie hat mich mit einem
Schießeisen empfangen — ich habe ihren Waffenschein bereits überprüft — und
weigerte sich, mich in ihre Wohnung zu lassen, weil ich ein Frauenschänder sein
könnte. Aber es schien ihr nichts auszumachen, in den dunklen Korridor
herauszukommen, um dort mit mir zu reden.«
»Du — ein Frauenschänder?«
»Ja — und ich an deiner Stelle wäre
sehr vorsichtig. Du kannst nie wissen, wann du bei mir dran bist. Jedenfalls,
diese Neverman behauptete, die beste Freundin der Antonio gewesen zu sein, aber
sie konnte mir trotzdem so gut wie gar nichts sagen, was etwas Licht in die
Sache gebracht hätte.«
»Wahrscheinlich ist sie gegenüber der
Polizei argwöhnisch. Vermutlich ist sie gegenüber jedermann argwöhnisch, so,
wie sie durchs Haus schleicht. Ich glaube, sie hat noch kein Wort mit mir
gesprochen.«
»Aha.« Greg strich sich das blonde Haar
aus der Stirn. »Und dann ist da auch noch euer Lebensmittelhändler an der Ecke.
Du meine Güte!«
»Mr. Moe? Was hältst du von ihm?«
»Er muß völlig übergeschnappt sein.
Behauptete tatsächlich, die Antonio sei wegen einer bösen Prophezeiung ihrer
Wahrsagerin ums Leben gekommen, aber andererseits konnte er mir nicht sagen,
wer diese Unglücksprophetin ist und was sie gesagt hat.«
»Ach, dann hat er dir das auch
erzählt?« Aber als ich mit ihm gesprochen hatte, war es mir so vorgekommen, als
hätte Mr. Moe die Geschichte mit der Prophezeiung keineswegs ernst genommen.
Hatte er sie jetzt benützt, um der Befragung durch die Polizei zu entgehen?
»Was hat er sonst noch darüber gesagt?«
»Daß sie gestern zweimal bei ihm war,
einmal gegen fünf und dann noch einmal um sieben. Es stimmt mit der Todeszeit
überein und mit der Theorie, daß sie ihren Mörder in der Wohnung überrascht
hat.«
Ich nickte. Aber etwas mit dem
Zeitablauf paßte mir nicht. Was? »Ich nehme an, du hast diesen Mr. Moe
überprüfen lassen.«
Greg trank einen Schluck Bier.
»Makhlouf? Klar. Warum fragst du?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Er ist
einer von den Leuten in der Gegend, die mich interessieren.«
»Da liegst du völlig richtig. Seine
Geschichte ist zumindest interessanter als das meiste, was wir zu hören
bekommen.«
»Erzähle!«
»Mr. Moe, wie sie ihn nennen, ist als
junger Mann von Saudi-Arabien nach New York emigriert. Sein Vater war angeblich
recht wohlhabend und hat sich ein Lebensmittelgeschäft in Brooklyn gekauft.
Nach seinem Tod hat Mr. Moe das Geschäft weitergeführt... Er war verheiratet
und hatte ein Kind.«
»Und wie ist er hier gelandet?«
»Das Kind, ein Mädchen, heiratete und
ist als erste hierhergezogen. Dann wurde Mr. Moes Frau von einem Straßenräuber
umgebracht — für weniger als fünf Dollar; das war alles, was sie bei
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