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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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gestern abend nach Hause
gekommen, oder?«
    »Du hast recht. Ich war über Nacht zu
Hause. Aber ich mußte früh weg heute morgen, und ich wollte dich nicht
beunruhigen.«
    »Du wolltest mich nicht beunruhigen?
Und glaubst du, daß ich jetzt nicht beunruhigt bin? Nachdem mir dieser
grinsende Widerling von einem Mord erzählt hat?«
    »Linnea, du darfst nicht so über Tim
sprechen!«
    »Ich spreche über jeden so, wie es mir
paßt. O mein Gott, Sharon! Molly sagte, die Karten seien schuld. Ihre
Wahrsagerin...« Sie begann zu schluchzen.
    Molly hatte offensichtlich die
Prophezeiung ernst genommen. »Hör zu, Linnea, ich weiß, wie dir zumute ist. Mir
ist auch alles andere als wohl. Ich werde jetzt mit der Polizei sprechen...«
    »Mit der Polizei!«
    Ihr Aufschrei führte dazu, daß ich den
Hörer von meinem Ohr weghielt. »Na ja, mit Greg Marcus. Du weißt — mit dem
Kriminalbeamten, der mir die Süßigkeiten geschickt hat und den du noch nicht
kennengelernt hast.«
    »Und wozu soll das gut sein?«
    »Ich finde vielleicht heraus, was die
Polizei bis jetzt weiß.«
    »Und was soll ich inzwischen tun?«
    »Die Frage verstehe ich nicht.«
    »Ich sitze hier in deinem schäbigen
kleinen Apartment und habe Angst, ja, richtige Todesangst.«
    Die Bemerkung über meine Wohnung tat
mir weh, aber es gelang mir, meine Stimme unter Kontrolle zu halten. »Warum
gehst du nicht eine Weile aus, Linnea? Mach einen Spaziergang. Heute ist ein
schöner Tag.«
    »Ein Spaziergang, während hier ein
Wahnsinniger frei herumläuft? Bist du verrückt?«
    Ich seufzte. »Okay, dann tu, was du
willst. Ich bin so bald wie möglich zu Hause. Vielleicht kann ich dir dann
schon Näheres über die Sache berichten.«
    »Oh, großartig!«
    »Und noch etwas, Linnea: Versuch nicht -«,
ich ließ eine Pause entstehen.
    »Was soll ich nicht versuchen?«
    Ich wollte ihr eigentlich sagen, daß
sie nicht wieder zur Flasche greifen sollte, wußte aber, daß das einen erneuten
Ausbruch zur Folge haben würde. »Versuche, dir keine Sorgen zu machen«, endete
ich etwas lahm.
    »Ja, klar.« Es klickte, und die Leitung
war tot.
    Ich legte den Hörer auf die Gabel,
lehnte mich gegen das Bücherregal und dachte nach.
    Linneas Hysterie schien echt zu sein,
jedenfalls war sie nicht die Reaktion von jemandem, der etwas zu verbergen hat.
Fragte sich allerdings, an wieviel sie sich noch erinnerte, nachdem sie so
betrunken gewesen war. Sie hatte mir gestanden, daß sie in den letzten Wochen
mehrfach nach alkoholischen Exzessen das Bewußtsein verloren hatte.
    »Irgend etwas muß dagegen unternommen
werden«, sagte ich laut zu mir selbst. »Irgend etwas muß geschehen.«
     
     
     

Kapitel
4
     
    Um ein Uhr mittags hielt ich vor dem
massiven grauen Steinblock des Polizeipräsidiums von San Francisco. Ich sah,
wie Greg die Treppe herunterkam und bewunderte seine schlanke Figur, die trotz
seiner zweiundvierzig Jahre noch an den Körper eines Athleten erinnerte. Greg
war ein gutaussehender, angenehmer Begleiter, und dennoch gelang es ihm, um mit
Hanks Worten zu sprechen, mich durchschnittlich einmal pro Woche total sauer zu
machen.
    »Guten Tag.« Greg riß die Wagentür auf
und stieg ein. Dann langte er in seine Jackentasche und warf mir einen Beutel
Schokoladenküsse in den Schoß.
    »Verdammt! Du hast mir doch versprochen
—«
    »Ich hab’ dir gar nichts versprochen.«
    »Aber ich werde fett von all dem süßen
Zeug!«
    »Gut. Dann mußt du dich wenigstens
öfter mit mir treffen, weil dich sonst kein anderer mehr mag.«
    Ich seufzte und fuhr los.
    »Wohin entführst du mich eigentlich?«
wollte Greg wissen.
    »Ich dachte, wir versuchen einen
hübschen Picknickplatz im Dolores Park zu finden.« Damit meinte ich den
grasbewachsenen Hügel gegenüber der High School im Missionsviertel.
    »Ich hab’ nichts dagegen. Ich meine,
wenn es mir darauf ankäme, könnte ich gleich noch beim Mittagessen ein paar
Rauschgifthändler festnehmen. Aber das hätte noch mehr Papierkram zur Folge.«
    »Und ich weiß, wie sehr du den
Papierkram verabscheust.« Ich schoß in eine Lücke zwischen einem Städtischen
Bus und einem Polizeifahrzeug und fuhr zurück in meine Wohngegend.
    Der grüne Rasen war wie getupft mit
Erholungssuchenden; viele von ihnen hatten ihre Hemden ausgezogen und sich ins
Gras gelegt, um die Sonnenstrahlen auf sich einwirken zu lassen. Junge Paare
umarmten sich und versuchten sogar, sich während der Umarmung
vorwärtszubewegen, was sie zu einer ballettartig präzisen

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