Frag die Karten
Erfahrung aus vielen Jahren vor Gericht, würde
es doch auf die eine oder andere Weise aus mir herausgekitzelt haben. Und ich
glaubte, daß ich mich ihm anvertrauen konnte, vor allem da ich wußte, daß er es
bestimmt für sich behalten würde. »Es hat eigentlich ganz harmlos angefangen.
Ich habe aus einem Zeitschriftenartikel zitiert, in dem darüber berichtet
wurde, daß ein Privatdetektiv — du kennst den Fall sicher — seine Aussage vor
einem Rechtskomitee des Senats, bei dem es um elektronische Lauschangriffe
ging, selbst aufzeichnete. Ich fand, daß das eine raffinierte Methode war,
meine Ansicht über den Fall zu unterstreichen, aber Greg erkannte nicht den
Witz, der darin lag. Er ließ sich zu einem Ausfall gegen meinen Beruf
hinreißen, und du weißt ja, wie ich in solchen Fällen zu reagieren pflege. Als
es schließlich um persönliche Dinge ging, fand ich, daß es an der Zeit war, zu
gehen.«
Hank fuhr sich durch das lockige Haar.
»Sharon, du und Greg, ihr streitet die ganze Zeit miteinander. Das liegt in
eurem Charakter, ihr beide braucht das vermutlich.«
»Ich bin sicher, daß ich es keineswegs
dringend brauche.«
»Aber er will es wieder gutmachen, das
weißt du auch.«
»Ja, das weiß ich. Meine ganze Wohnung
ist voll von Süßigkeiten und Pralinés, die seine Wiedergutmachungsbemühungen
beweisen. Er hat mir sogar einen riesigen Schokoladenhasen geschenkt, den er
beim Schlußverkauf nach Ostern erstanden haben muß.«
Hank kicherte. »Warum gibst du dann
nicht nach?«
»Weil wir keine Freunde sein können,
wenn wir nicht gegenseitig unsere Arbeit respektieren.«
»Und du meinst, er respektiert die
deine nicht?«
»Nein.«
»Na schön, es ist dein Leben.« Hank
kramte unter der Decke und zog schließlich eine Rolle Drops hervor. Ich
schüttelte den Kopf, als er mir davon anbot, und fragte mich, was noch alles in
seinem Bett versteckt sein mochte. Die lange rote Telefonschnur schlängelte
sich unter der Decke hervor.
»Bist du hergekommen, um mir dein
Mitleid auszudrücken, oder hast du noch ein anderes Motiv gehabt?« fragte Hank
jetzt und lutschte sein Drops.
»Ja; eigentlich wollte ich hören, was
du in nächster Zeit für mich vorgesehen hast.«
Wieder strich er sich über den Kopf.
»Bist du denn schon fertig mit dem Bericht über De Yoe gegen Treakle?«
»Ja, seit ungefähr einer halben
Stunde.«
»Dann ist das vorläufig alles. Zur Zeit
läuft es ruhig bei uns. Unsere Klienten sind entweder tot, wie mir scheint,
oder sie kümmern sich um ihre eigenen Angelegenheiten.«
»Ich vermute letzteres.« Die Abonnenten
unserer Rechtsberatungsfirma waren gelassene Leute. Bei dem Bericht, den ich
gerade abgeschlossen hatte, ging es um einen Vertragsbruch bei der Einrichtung
eines hölzernen Whirlpools, eine für unsere Klienten typische Annehmlichkeit.
»Na schön«, meinte Hank. »Dann nimm dir
doch frei und versuche, die Spur des Täters zu finden, der diese Mrs. Antonio
umgebracht hat.«
Meine Lippen öffneten sich vor
Überraschung, aber ich brachte keinen Ton heraus.
»Nun, darum ging es doch bei deinem
Besuch hier oben, oder etwa nicht?«
Ich nickte zögernd. »Ich bin sicher, es
ist nicht gut, wenn ein Boss seine Angestellten so durchschaut.«
»Gut oder nicht, ich jedenfalls
durchschaue dich. Nimm dir ein paar Tage Urlaub, wenn du willst. Für den Fall,
daß wir dich brauchen, melde ich mich bei dir.«
»Womit mein Urlaub wieder mal
verpfuscht wäre«, seufzte ich.
»Es ist ein Fall, der die Mühe wert
sein dürfte. Und ich könnte mir vorstellen, daß du dich über diesen Mord sehr
aufregst.«
Mehr, als ich ihm eingestehen wollte.
»Danke, Hank. Vielleicht nehme ich deinen Rat an.«
»Vielleicht — von wegen! Natürlich
wirfst du dich auf den Fall. Und jetzt mach, daß du weiterkommst, und laß mich
in Ruhe leiden.«
Als ich nach unten kam, deutete mir Ted
an, daß er einen Anruf für mich hatte. Ich folgte einer der roten
Telefonschnüre durch den Korridor, bis ich das Telefon entdeckt hatte, das auf
einem Bücherregal stand. Vermutlich bevorzugte man bei All Souls vor allem
deshalb die Zehnmeterkabel, weil man die Telefone so an allen möglichen und
unmöglichen Stellen abstellen konnte.
Linneas hysterische Stimme schlug an
mein Ohr. »Sharon! Sharon, du wirst nicht glauben, was Tim mir gerade erzählt
hat!«
»Ich weiß es bereits, Linnea. Ich
wollte dich schon anrufen.«
»Mich anrufen? Hättest du es mir nicht
persönlich sagen können? Ich nehme an, du bist
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