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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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wo
Mollys Leichnam gelegen hatte, sein Koffer neben ihm. Als er Sebastian und mich
erblickte, verschlang er die Hände in einer Geste, die aussah, als würde er
Wäsche auswringen.
    »Ich weiß nicht, was ich jetzt allein
anfangen soll.« Seine Stimme klang erstickt.
    Ich ließ Sebastian los und legte Gus
meinen Arm um die schmalen Schultern. »Es ist sicher schwer für Sie, aber mit
der Zeit wird es bestimmt besser.«
    Er schüttelte hilflos den grauen
Schädel. »Ich weiß nicht, wie ich allein fertigwerden soll. In all den Jahren
hat Molly sich um mich gekümmert. Sogar nachdem sie pensioniert wurde und mich
hinausgeschmissen hatte, hat sie sich doch noch um mich gekümmert.«
    »Was hat sie denn gearbeitet, bevor sie
pensioniert wurde?« Ich wußte sehr wenig von der Vergangenheit meiner
Nachbarin.
    »Sie war Verkäuferin bei Knudsen.« Das
war ein Bekleidungsgeschäft in unserem Viertel. »Fünfunddreißig Jahre hat sie
hinter dem Ladentisch gestanden und Nylonstrümpfe und Unterwäsche verkauft.
Fünfunddreißig Jahre. Dann ist sie pensioniert worden und hat mich rausgeworfen.
Sagte, ich hätte sie lange genug verrückt gemacht und auf die alten Tage ein
bißchen Ruhe verdient. Aber sie hat sich immer noch um mich gekümmert. Ich weiß
nicht, wie ich jetzt zurechtkommen soll.«
    Bei seinen Worten fiel mir wieder die
Frage ein, die mir auch Greg gestellt hatte. »Warum haben Sie sie denn verrückt
gemacht?«
    Gus schaute mich an, dann wich er
meinem Blick aus. »Keine Ahnung, Sie wissen doch, wie die Frauen sind.«
    Sebastian lehnte seine Besen gegen die
Wand und tastete nach einem Stuhl, ließ seinen schweren Körper darauf nieder
und blieb auf der Kante sitzen, damit er sich nicht gegen die Bürsten lehnte,
die am Rücken seines Parkas befestigt waren. »Ich werde es dir sagen, Gus«,
erklärte er. »Ich werde es herausbringen — für dich.«
    Wieder schüttelte Gus den Kopf. »Da
gibt es jetzt nichts mehr herauszufinden. Wenn nächsten Monat die Miete fällig
ist für diese Wohnung — was soll ich dann tun?«
    »Wir finden schon was, wo du wohnen
kannst«, beruhigte ihn Sebastian. »Du bist ja nicht so arm. Du bekommst die
Rente von der Sozialversicherung und deinen Lohn vom Zentrum, und von Molly
bekommst du bestimmt Geld über irgendeine Versicherung. Wir müssen nur eine
Wohnung finden, die billiger ist als diese hier.«
    Gus schaute ihn an und war alles andere
als überzeugt. Zu mir gewandt, sagte er: »Was ist mit Watney? Ich kenne
niemanden, der sich um den Kater kümmern kann.«
    Ich zögerte. Sicher, ich mochte Katzen,
aber ich hatte noch nie eine gehabt. »Wenn Sie wollen, behalte ich ihn.«
    »Wirklich?« Erleichterung war auf dem
verkniffenen Gesicht zu erkennen. »Molly hat Katzenfutter und alles mögliche.
Sie brauchen lange nichts zu kaufen.« Eifrig ging er in die Küche. »Ich packe
es gleich zusammen.«
    »Sieht so aus, als ob ich mir gerade
ein Haustier angeschafft hätte«, meinte ich zu Sebastian.
    »Das macht keine Mühe. Molly hat den
Kater geliebt. Sie werden ihn auch mögen.«
    »Bestimmt. Wann haben Sie Molly zuletzt
gesehen — « Ich brach ab und sagte: »Ich meine, wann haben Sie zuletzt mit ihr
gesprochen?«
    Sebastian lächelte schwach. »Machen Sie
sich keine Gedanken. Die Leute sagen oft so etwas zu mir. Es kommt mir vor, als
ob Behinderungen für diejenigen, welche sie nicht haben, schlimmer wären als
für uns, die wir davon geplagt werden. Aber um Ihre Frage zu beantworten, es war
gestern nachmittag. Molly hat bei Mr. Moe hinterlassen, Gus solle
hierherkommen, bevor er mich heimbringt. Sie wollte, daß er die Socken von der
Wäscherei abholt — Sie wissen ja, wie dort aus den Wäschetrocknern geklaut
wird. Molly war übrigens in Ihrer Wohnung, als wir ins Haus kamen, bei Ihrer
Freundin.«
    »Ach? Und was haben die beiden
gemacht?«
    »Sie haben miteinander geredet, nehme
ich an.«
    Gus kam zurück und drückte sich einen
Karton gegen die Brust. »Nein, das stimmt nicht. Molly hat ihr die Leviten
gelesen.«
    Ich fühlte ein Prickeln der Nervosität.
»Weswegen?«
    Er schaute mich peinlich berührt an.
»Wahrscheinlich, weil sie trinkt.«
    »Ach«, fügte Sebastian hinzu, »das ist
die Frau, die so viel trinkt?«
    War das denn inzwischen im ganzen
Viertel bekannt? »Woher wissen Sie das?«
    »Molly hat es mir erzählt. Sie hat sie
letzte Woche dabei erwischt, wie sie in den Mülltonnen herumgestochert hat.«
    »In den Mülltonnen?«
    »Ja. Sie wollte den Müll

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