Frag die Karten
wegbringen.«
»Ach du meine Güte!« Das war vermutlich
der Tag gewesen, an dem Linnea in einem Anfall von Putzwut den Griff der
Toilettenbürste abgebrochen und einen Topf voll Kartoffeln hatte anbrennen
lassen. »Übrigens, Sebastian«, lenkte ich ab, um meine Aufregung zu verbergen,
»haben Sie eine Toilettenbürste bei sich?«
Er stand auf und tastete nach seiner
rechten Schulter. Ich stellte fest, daß er offenbar bestimmte Bürsten schneller
durch Berühren fand als Gus und ich mit unseren Augen.
»Tut mir leid«, antwortete er. »Ich bin
ausverkauft.« Und zu Gus gewandt, fügte er hinzu: »Hast du sie weggenommen?«
Gus schaute ihn verletzt an. »Warum
hätte ich das tun sollen? Die Bürsten gehen nur dich etwas an.«
Sebastian knurrte. »Ich hätte schwören
können, daß noch welche da waren. Aber wir verkaufen gut.«
»Das Geschäft läuft, was?« fragte ich.
»Und wie. Ich habe mein Angebot sogar
erweitert. Schnürsenkel und Gummihandschuhe zum Geschirrspülen.« Er deutete auf
die neuen Waren, die er sich in den Gürtel gesteckt hatte.
»Aber diese Sachen werden doch nicht im
Blindenzentrum hergestellt?«
»Nein. Die kaufen wir billig ein.
Brauchen Sie nicht ein Paar Schnürsenkel?«
»Meine Schuhe haben keine. Aber können
Sie mir bei Gelegenheit eine Toilettenbürste bringen?« Ich gab ihm die zwei
Dollar, die sie meines Wissens kosteten.
»Klar, wird gemacht.«
»Und wenn ich nicht da sein sollte und
Linnea sich sonderbar verhält, machen Sie sich nichts draus.« Es hatte wenig
Sinn, die Situation zu verleugnen. (
»Gestern war sie wirklich sehr
aufgeregt«, kommentierte Gus. »Molly muß ihr ganz schön die Leviten gelesen
haben. Ich habe das sofort bemerkt, allein schon an Mollys Tonfall. Sie hat mir
weiß Gott auch oft genug die Meinung gesagt.«
»Was hat sie denn Linnea vorgehalten?«
»Ich weiß nicht, hab’ sie nur durch die
offene Tür gehört. Sie hörte auf, als sie uns bemerkte, und redete dann über
den Farn, der in Ihrem Zimmer steht und nicht so recht wachsen will. Sie
quasselte noch gut fünf Minuten, bis wir sie endlich loseisen konnten. Dann bin
ich in die Wäscherei gegangen, und Sebastian ist mit Molly hier herauf, um zu
warten, bis ich zurück war.«
»Und wie hat sich Linnea verhalten, als
Molly über den Farn sprach?«
»Sie schniefte und wirkte ziemlich
mürrisch, aber sie hat sich dann doch recht freundlich von uns verabschiedet.«
»Hm.« Ich schwieg ein paar Sekunden lang.
»Machen Sie sich Sorgen wegen Ihrer
Freundin?« fragte Gus.
»Ein wenig.«
»Sie haben allen Grund«, sagte er
weise. »Wenn das so weitergeht, wird sie ein zweiter Tim O’Riley.«
Ich unterdrückte ein Lächeln, weil ich
in Gedanken die kleine, zierliche Linnea mit dem untersetzten Tim verglich,
aber bedauerlicherweise lag eine gewisse Wahrheit in dem, was Gus gesagt hatte.
Und selbst nach Jahren ständigen Biertrinkens hatte sich Tim noch besser unter
Kontrolle als meine Freundin.
Gus kam mit dem Karton auf mich zu.
»Alles ist drin, bis auf das Katzenklo. Das muß erst saubergemacht werden; ich
bringe es Ihnen später runter.«
Du meine Güte! dachte ich. Ein
Katzenklo. Der arme Kater war die ganze Nacht und den halben Tag bei mir
gewesen, ohne in sein Kistchen gehen zu können! Ich konnte nur hoffen, Linnea
war vernünftig genug, um... Nein, natürlich nicht. Ich konnte von Glück sagen,
wenn sie Watney wenigstens nicht an die Luft gesetzt hatte in der Annahme, er
sei versehentlich in meine Wohnung spaziert. Es war höchste Zeit, daß ich in
meine Wohnung hinunterging und mich um die beiden kümmerte.
Kapitel
6
Als ich die Tür zu meiner Wohnung
öffnete, sprang mir der Kater entgegen. Dann war er mit einem Satz in dem
Kasten mit blauen Kieseln und Plastikblumen, der Vorstellung des Hausbesitzers
von einer Dielendekoration, und begann wie wild in den falschen Geranien zu
wühlen. Ich mußte lächeln, weil mir dabei der Gedanke kam, Tims Abneigung gegen
Haustiere stamme vermutlich daher, daß die Katzen keinen Unterschied machen konnten
zwischen dem synthetischen Dschungel und dem echten draußen vor der Tür. Na ja,
wenigstens hatte Watney gewartet, bis ich zu Hause war.
Ich lehnte mich gegen den Türrahmen,
fühlte mich plötzlich müde und erschöpft und freute mich auf ein Glas kühlen
Wein. Der Kater schlich vorsichtig auf mich zu und schaute mit seinen gelben
Augen zu mir herauf, bevor er hineinschlüpfte in die Wohnung. Offenbar hatte er
sein neues
Weitere Kostenlose Bücher