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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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am nächsten war, trug eine Brise den süßlichen Geruch von
Marihuana-Rauch zu mir herüber. Er überlagerte sogar den starken Geruch nach
Teer und Schlick. Ich duckte mich hinter den Pfosten und überlegte mir, was ich
als nächstes tun konnte.
    Neverman war offensichtlich nicht
sonderlich auf der Hut. Sollte ich versuchen, ihn zu überraschen?
    Ausgeschlossen, entschied ich. Ich
wußte nicht, wie viele Leute sich in dem Lagerhaus aufhielten.
    Und was sie dort taten.
    Und warum Mr. Neverman nicht zusammen
mit Mr. Moe hineingegangen war.
    Nervös trat ich von einem Fuß auf den
anderen. Mein rechter Schuh stieß gegen etwas Leichtes, das umkippte und über
die Metallplatten in die Mitte des Piers rollte. Es klapperte und verursachte
in der Stille einen unglaublichen Lärm, obwohl es sich vermutlich nur um eine
leere Bierdose handelte. Ich drückte mich ganz dicht an den Pfosten und hoffte,
daß Neverman zu bekifft war, um es zu bemerken.
    »Wer da?« Sein Ruf warf Echos auf dem
Pier.
    Ich drehte mich um und rannte.
    »He! Kommen Sie zurück!«
    Meine Füße klapperten auf den
Stahlplatten. Als ich den weichen Untergrund erreichte, verlor ich das
Gleichgewicht.
    »He, stehenbleiben!«
    Nevermans Schritte waren auf dem Pier
zu hören.
    Ich duckte mich hinter einen Haufen
Ziegelsteine.
    Die Tür des Lagerhauses wurde
aufgerissen.
    »Was, zum Teufel, ist da los?« brüllte
eine rauhe Stimme.
    Ich machte einen Satz von einem
Ziegelhaufen zum nächsten in Richtung auf die Fabrikruine, die ich zuvor
gesehen hatte.
    »Neverman! Halten Sie ihn auf!« rief
Mr. Moe.
    Ich kroch auf allen vieren in das
halbzerstörte Gebäude. Glasscherben und Metallteile schnitten in Handflächen
und Knie, und meine Hose riß in Fetzen.
    Ich legte mich flach auf den Boden
unter ein Gewirr von verrosteten Rohren, hatte die Pistole schußbereit und
wartete. Mit jedem Atemzug drang Staub in meine Lungen.
    Seltsamerweise kam niemand.
    Nach ein paar Minuten erhob ich mich
und wagte einen Blick nach draußen. Vier Gestalten standen jetzt am Anfang des
Piers. Neverman, Mr. Moe und zwei andere Männer. Sie schauten sich um,
besprachen sich und gingen dann wieder auf das Lagerhaus zu. Als sie am
Lieferwagen angekommen waren, trennten sich Mr. Moe und Neverman von den beiden
anderen. Der Wagen wurde angelassen und fuhr zurück bis zum Ende des Piers,
schwankte dann über die freie Fläche auf die alte Fabrik und das Tor zu.
    Offensichtlich wollten sie keine
Aufmerksamkeit wecken und schalteten die Scheinwerfer nicht ein.
    Ich stand noch immer da und lauschte.
Weit draußen stöhnte das Nebelhorn eines Frachters. Ein schwaches Bellen
antwortete.
    Nach einer Weile kroch ich unter dem
Gewirr von Rohren hervor nach draußen. Ich kroch von Abfallhaufen zu
Abfallhaufen und schlich mich in die Gasse zwischen den Fabrikgebäuden. Als
sich weit und breit nichts rührte, lief ich auf meinen Wagen zu.
    Er stand da, wo ich ihn verlassen
hatte, unberührt und vermutlich auch unbeobachtet. Ich ließ den Motor an und
fuhr los, daß der Kies aufspritzte. Nach einem solchen Abenteuer konnte ich mir
nichts Schöneres vorstellen als meine Wohnung und mein Bett. Aber angesichts
des Zustands, in dem sich Linnea befand, war daran nicht zu denken. Ich mußte
mit meinem Büro bei All Souls vorliebnehmen.
     
     
     

Kapitel
17
     
    Ich saß in meinem Büro und nähte den
Riß in meinem Hosenboden, als Hank hereinkam. Er kratzte sich am Kopf und
murmelte: »Oh, entschuldige. Ich konnte ja nicht ahnen, daß du dich ausgezogen
hast.«
    »Dann weißt du es jetzt.« Ich zog mir
die Hose über die nackten Beine. »Schlage vor, du kommst in fünf Minuten
wieder.«
    »Klar.« Er ging hinaus und tat so, als
wäre es ganz alltäglich, mich halbnackt in meinem Büro vorzufinden.
    Während ich meine Reparaturarbeit
begutachtete, mußte ich leise lachen. Die Hose war zwar zugenäht, war aber
allenfalls nur noch als Putzlappen zu verwenden. Als ich sie anzog, klopfte
Hank an die Tür und öffnete sie nach angemessener Pause. Seine große, hagere
Gestalt schien den kleinen Raum ganz auszufüllen.
    »Ted hat mir verraten, daß du über den
Hintereingang reingekommen bist und dir dabei die Hose zugehalten hast«, sagte
er und hockte sich auf die Schreibtischkante. »Ich dachte, ich sehe lieber
nach.«
    Ich hatte zwei Blocks vom Büro entfernt
geparkt und war über den Fußweg hinter All Souls zum Haus geschlichen in der
Hoffnung, daß mich niemand sehen würde. Ted, der Mann am Empfang, hatte

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