Frag die Karten
oder den Empfänger um ein
paar Sachen betrogen. Die Sachen, die in dem Lagerraum im Blindenzentrum
aufbewahrt werden, gehören genau zu den Dingen, die besonders häufig geklaut
werden.«
»Aha!« rief Hank. »Du glaubst also, das
Zentrum kauft gestohlene Waren?«
»Ja, vermutlich über Nevermans Kontakte
zu den Lastwagenfahrern.«
»Und wie passen diese Nylons in das
Bild?«
»Aus den Lagerkontrollkarten kann man
erkennen, daß sie gestohlen wurden, wahrscheinlich aus Knudsens Warenhaus, und
zwar, als sie schon für den Verkauf vorbereitet waren. Ich kann es natürlich
nicht beweisen, glaube aber, daß Molly sie von Sebastian gekauft hat. Molly hat
bei Knudsen gearbeitet; sie erkannte die Karten und wußte, was sie bedeuteten.«
Hank strich sich durchs Haar. »Schön
und gut. Du hast diese Molly gekannt. Was, glaubst du, hätte sie daraufhin
unternommen?«
»Ich nehme an, sie hat zunächst Anya
Neverman um Rat gefragt, die sich ohnehin für ihre ›Beraterin in geistigen
Dingern ausgab. Die Tatsache, daß ich diese Nylons in Anyas Tiefkühlfach
gefunden habe, bestätigt mir, daß Molly sich an sie gewandt haben muß. Anya hat
Molly vermutlich mehrere Lösungen vorgeschlagen. Sie konnte schweigen und
vergessen, konnte Clemente zur Rede stellen oder die Sache der Polizei melden.
Wahrscheinlich entschied sie sich gegen letzteres, weil sie verhindern wollte,
daß Jeffrey wieder ins Gefängnis kam. Außerdem hatte Molly ein persönliches
Interesse an der Sache, da ihr Mann Sebastian auf seinen Runden begleitete. Sie
war eine rechtschaffene Frau, und ich glaube, sie wollte unter allen Umständen
verhindern, daß ihr Mann Gus in eine Sache hineingezogen wurde, die nicht
hasenrein war.«
»Bleiben noch zwei Alternativen — welche,
glaubst du, hat sie gewählt?«
Ich ignorierte die Frage. »Keine von
beiden erschien ihr tragbar. Sie klagte Linnea gegenüber, Anya habe ihr nur
Lösungen angeboten, die ihr Problem schlimmer machen würden. Außerdem sagte
sie, sie wünschte, die Karten nie gesehen zu haben. Sowohl Linnea als auch ich
gingen davon aus, daß sie damit die Tarot-Karten der Wahrsagerin meinte, aber
sie sprach von diesen hier.« Ich deutete auf die IBM-Kärtchen.
»Und für welche Alternative hat sie
sich dann entschieden?«
»Ich nehme an, sie hat Clemente zur
Rede gestellt. Vielleicht deutete sie an, daß sie Beweise bei jemandem in ihrem
Haus hinterlegt hatte. Und für mich steht fest, daß sie die Schachtel mit den
Nylons bei Anya aufbewahrte, um sicherzugehen.«
»Und Clemente hat sie umgebracht?«
»Bei Clemente bin ich mir nicht sicher.
Ich glaube, er ist nur ein Freigeist, der seine Illusionen verloren hat. Und
Neverman? Vielleicht. Oder auch Mr. Moe — er steckt mehr oder weniger mit drin
in der Sache, und ich weiß nicht, ob man seiner Aussage trauen darf, er habe
Mollys Leichnam entdeckt und sei dann entsetzt davongelaufen.«
»Und heute abend hat jemand diese Anya
umgebracht, weil sie auch in das Geheimnis eingeweiht war?«
»Ja. Niemand hätte etwas davon geahnt,
wenn sie sich nicht durch ihr leidenschaftliches Verlangen nach Jeffrey hätte
hinreißen lassen. Sie verriet sich, als sie versuchte, seine Rückkehr in ihr
Heim zu erpressen.«
Hank schüttelte die Kaffeekanne, aber
sie war leer. »Kaffee ist alle. Nimmst du auch mit Brandy pur vorlieb?«
»Warum nicht?«
Er schenkte etwas aus der Flasche in
meine Tasse. Ich nippte geistesabwesend daran.
»Und was wirst du jetzt unternehmen?«
fragte Hank. »Wirst du der Polizei einen Hinweis darauf geben, was im
Blindenzentrum vor sich geht?«
»Es würde nicht viel nützen.«
»Warum nicht, wenn sie ganze Lagerräume
voll Hehlerwaren halten?«
»Bei meiner Arbeit als
Warenhausdetektiv habe ich eine Menge über das Verhalten von Hehlern gelernt.
Jeder nur halbwegs schlaue Hehler sichert sich mit gefälschten Quittungen ab.
Er führt ordentlich Buch und kann auch Buchungsbelege aufweisen, die zeigen,
daß er die Ware gekauft und rechtmäßig bezahlt hat. Selbst wenn der Verkäufer
ein undurchsichtiger Geschäftsmann sein sollte, kann der Hehler behaupten,
nicht gewußt zu haben, daß es sich um gestohlene Ware handelte.«
Hank nickte. »Das Gesetz schreibt vor,
daß die Anklage in einem solchen Fall den Diebstahl der Hehlerware beweisen
muß, ferner, daß sie sich im Besitz des Angeklagten befand und daß der
Angeklagte über die ungesetzliche Herkunft Bescheid wußte. Das letzte ist am
schwersten zu beweisen.«
»Und Clemente ist
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