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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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mich auf den Boden werfen und
losheulen können. Oder dem Kerl einen Tritt in den Hintern geben. Aber ich erinnerte
mich an die Anweisungen meiner Mutter bezüglich guten Verhaltens in der
Öffentlichkeit und verzichtete auf beides. Statt dessen gab ich meinen
Flugschein zurück und schlug hochnäsig das Angebot aus, die nächste Maschine zu
nehmen.
    »Aber Ma’am, der Flugschein bleibt ein
ganzes Jahr lang gültig.«
    »Vergessen Sie’s. Ich denke nicht
daran, noch einmal mit Ihrer verdammten Gesellschaft zu fliegen.«
     
     
     

Kapitel
20
     
    Ich ging zu der Reihe von
Telefonkabinen neben dem Gepäckförderbändern und rief das Lagerhaus der Circle-Werft
an. Nach energischem Drängen akzeptierte der Werftdirektor, ein Mr. John Hood,
einen Termin um halb vier Uhr nachmittags — früher sei es ihm
bedauerlicherweise nicht möglich — für ein Gespräch über den
Containerdiebstahl. Seine Stimme klang gequält und müde; zweifellos war er
schon häufig von Leuten telefonisch geplagt worden, die versuchten, ihm
Informationen zu entlocken.
    Als ich meinen Wagen erreichte, kam ich
der Politesse gerade noch um ein paar Sekunden zuvor und fuhr los in Richtung
Schnellstraße. Das Radio summte leise, übertönt vom Brummen des Motors, und ich
drehte es lauter, als ich einen mir vertrauten Namen vernommen hatte.
    »... Greg Marcus von der Mordkommission
San Francisco teilte mit, daß gegen den Ehemann der Ermordeten ein Haftbefehl
ausgestellt worden sei. Ferner sucht die Polizei eine Privatdetektivin namens
Sharon McCone, die im Zusammenhang mit dem Mordfall dringend gebeten wird, sich
bei der Kriminalpolizei zu melden. Miss McCone hat nach Ansicht der Polizei das
Verbrechen gemeldet, bevor sie gestern abend den Tatort verließ. Nun zu
weiteren Meldungen aus San Francisco und der Umgebung der Bay...«
    Verdammt! Ich schaltete das Radio ab. ›Dringend
gebeten» war die höfliche Form einer Drohung: Melde dich sofort, sonst...! Es
war zwar offenbar noch kein Fahndungsbefehl ausgegeben worden, aber die
Besatzungen der Streifenwagen würden nach mir Ausschau halten. Also scherte ich
in die linke Spur aus und fuhr zurück zur Parkgarage. Es hatte wenig Sinn, in
meinem alten MG herumzufahren, der leicht von der Polizei entdeckt werden
würde.
    Ich ließ den Wagen in der Abteilung für
Langzeitparker stehen und ging wieder hinüber zur Flughafenhalle. Jetzt hatte
ich zweieinhalb Stunden Zeit zum Totschlagen; aber ich mußte irgendwie über die
Bay hinüber nach Alameda kommen. Ich schaute mich in der Flughafenhalle um, und
mein Blick wurde magisch angezogen vom Schild der San
Francisco-Hubschraubergesellschaft.
    Warum eigentlich nicht? Ich war noch
nie zuvor in einem Hubschrauber geflogen. Und schon stand ich in der
Warteschlange, um mir ein Ticket zum Flughäfen von Oakland zu besorgen.
    Zwanzig Minuten später waren wir in der
Luft, in einem grauen, trüben Himmel. Das Dröhnen war zunächst ohrenbetäubend,
wurde aber leiser, als der Hubschrauber an Höhe gewann. Ich saß auf der Kante
meines Sitzes und schaute durch das von Regentropfen gesprenkelte Fenster
hinaus, sah, wie der Boden unter uns zurückwich. Die zehn anderen Passagiere
waren offenbar erfahren in dieser exotischen Art des Reisens, lasen ihre Zeitung
und kümmerten sich nicht um ihre Umgebung. Glücklicherweise kümmerten sie sich
auch nicht um die ziemlich ramponiert aussehende junge Frau mit dem schwarzen,
noch immer leicht zerwühlten Haarschopf, die ihre Nase an das Fenster drückte
und den Flug über das aufgewühlte Wasser der Bay genoß.
    Flüchtling genießt die letzten
Augenblicke der Freiheit.
    Die Worte kamen mir in den Sinn, wie
die Unterschrift zu einem Zeitungsfoto. Meine Stimmung sank auf den Nullpunkt,
und ich schluckte mehrmals. Ich wurde dringend ›gebeten‹ sagte ich mir, und das
war nicht das gleiche wie ein Fahndungsbefehl. Aber das half mir wenig.
    Am Flughafen von Oakland schlich ich
mich verstohlen in die Damentoilette; unterwegs schaute ich mich immer nach
Polizeiuniformen um. Drinnen sperrte ich mich in eine Kabine ein und
vertauschte den in einem Geheimfach steckenden, auf einen falschen Namen
ausgestellten Führerschein und die auf denselben falschen Namen lautende
Kreditkarte mit meinen echten Ausweispapieren. Ich war bereits so tief im Schlamassel,
daß eine zusätzliche Verletzung der Gesetze meine Lage kaum noch wesentlich
verschlechtern konnte.
    Danach ging ich auf die Schalterreihe
der Autovermietungen zu und wählte den

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