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Frag die Toten

Frag die Toten

Titel: Frag die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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einmal da war. Das Telefon bedienen, Termine buchen, Röntgenaufnahmen machen.
    Dann brüllte Melissa ihre Mutter an, sie solle sich aus ihrem Leben raushalten. Und rief sie am nächsten Tag an, um sich zu einem Ultraschalltermin zum Arzt bringen zu lassen.
    Zwischen all diesen fruchtlosen Debatten und Beschwörungen setzte Ellie sich immer wieder hin und strickte.
    »Dieses Kind ist nun mal unterwegs, und wenn es einmal da ist, braucht es was zum Anziehen«, sagte sie. Dann hielt sie ihrem Mann einen halben Ärmel hin und fragte, wie er ihn fände.
    Wendell wurde das alles langsam zu viel.
    Die ständigen Spannungen zwischen seiner Frau und seiner Tochter, die Diskussionen mit ihm, die Ellie unerbittlich anzettelte, darüber, was ihre gemeinsame Tochter aus ihrem Leben machte. Das ständige Gerede über das Baby. Wie würde Melissa sich schlagen? Würde sie Lester doch noch heiraten? Würde er Unterhalt für das Kind zahlen, auch wenn Melissa nicht mit ihm zusammenleben wollte? Würde Melissa auch nach der Geburt des Babys ihren Job als Kellnerin behalten?
    Gelegentlich machte Ellie auch eine 180-Grad-Wende und ging auf Lester Cody los, als stünde er vor ihr. »Dreißig Jahre alt! Und schläft mit einer Jugendlichen! Ausgenutzt hat er sie, der Schuft.«
    Diese endlosen Diskussionen.
    Wendell Garfield fragte sich, ob es diese Situation gewesen war, die ihn in Laci Harmons Arme getrieben hatte, oder ob es auch sonst geschehen wäre.

[home]
    Sechs
    S ie waren Arbeitskollegen bei Home Depot. Wenn nicht irgendwo anders Not am Mann war, arbeitete Wendell jetzt meistens in der Abteilung für Bad und Sanitär, Laci drüben bei Lampen und Leuchten. Sie gingen zusammen in die Pause, sprachen über ihre Familien, über die Freuden und – noch öfter – die Leiden des Elternseins. Sie hatte zwei Jungen im Alter von fünfzehn und siebzehn, die ständig miteinander im Clinch lagen. Einmal, und es war nicht nur im Scherz, gestand ihm Laci, sie wünschte, die beiden würden eines Tages mit so harten Bandagen kämpfen, dass keiner mit dem Leben davonkam.
    Wendell lachte und sagte, er wisse genau, wie es ihr ginge.
    Er fand immer wieder einen Grund, durch die Beleuchtungsabteilung zu gehen.
    Laci landete immer öfter im Sanitärgang.
    Es fing mit freundlichen Frotzeleien an, dann folgten zweideutige Bemerkungen. Wenn Laci bei ihm vorbeikam, sagte sie, sie brauche jemanden, der ihr mal das Rohr durchpuste. Umgekehrt rempelte er sie gerne in ihrer Abteilung an und fragte, ob sie ihm behilflich sein könne, seinen Leuchtstab zum Blinken zu bringen.
    Alles nur Spaß, versteht sich. Völlig harmlos. Schließlich waren sie doch beide glücklich verheiratet. Wendell und Ellie waren schon einundzwanzig Jahre zusammen. Laci und Trevor, stellvertretender Filialleiter einer Bank in Bridgeport, hatten gerade ihren dreiundzwanzigsten Hochzeitstag gefeiert. Sie waren mit dem Zug nach New York gefahren, hatten sich ein Zimmer im Hyatt direkt an der Grand Central Station genommen und
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angesehen. Zu seiner Überraschung amüsierte Trevor sich königlich, obwohl er für Travestie eigentlich wenig übrighatte. Alles wäre perfekt gewesen, hätte Laci sich nicht ein Bier aus der Minibar genommen. Trevor hatte einen Anfall bekommen. Für den Preis dieser einen Dose hätten sie im nächstgelegenen Lebensmittelladen einen ganzen Sechserpack gekriegt. Er würde bei ihrer Abreise kein Wort darüber verlieren, mal sehen, ob man ihnen auf die Schliche kam und nachträglich seine Kreditkarte belastete.
    Man tat es.
    Einmal musste Wendell auf dem Ausstellungsgelände des Heimwerkermarkts einen Gartenschuppen aus Vinyl zusammenbauen. Als er im Inneren nur noch die letzten Schrauben nachzog, damit das Ding nicht beim ersten Windstoß zusammenfiel, schlüpfte Laci Harmon zu ihm herein, schloss die Tür hinter sich und legte seine rechte Hand auf ihre linke Brust.
    »Fühl mal meinen Nippel«, flüsterte sie ihm zu. »Spürst du, wie hart er ist?«
    Wendell hatte in den vergangenen einundzwanzig Jahren stets dieselben zwei Nippel berührt, und selbst das in letzter Zeit nicht mehr so oft, da genügte es bereits, einen fremden durch eine Bluse hindurch zu ertasten, um ihm einen Schauer durch den Körper zu jagen. Er dachte, er würde auf der Stelle explodieren, und wahrscheinlich wäre das auch geschehen, wenn ihn in diesem Augenblick nicht sein Funkgerät zu einem Kunden gerufen hätte, der einen Laubbläser erwerben wollte und

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