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Frag die Toten

Frag die Toten

Titel: Frag die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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aktuell? Kann der sich jetzt nicht um Melissa kümmern?«
    »Sie sagt, sie will nichts mit ihm zu tun haben. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass es mir irgendwie helfen würde, wenn er jetzt da wäre.«
    »Mir ist – o Gott – mir ist gerade was eingefallen«, sagte sie.
    »Was?«
    »Die haben doch nicht dein Telefon angezapft, oder? Die hören jetzt nicht vielleicht mit?«
    Er spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief. War das möglich? Er hätte sich ohrfeigen können. Daran hatte er überhaupt nicht gedacht.
Bis jetzt
. Bis jetzt hatte er sich doch so wacker geschlagen, er, der verzweifelte Ehemann. Es war ihm nicht in den Sinn gekommen, die Polizei höre womöglich sein Telefon ab. Natürlich, früher oder später würde sie auch ihn genauer unter die Lupe nehmen, doch bis zu diesem Zeitpunkt hatte er niemandem Anlass zu der Vermutung gegeben, er könnte etwas mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun haben.
    »Ich meine, wenn sie uns hören und wissen, dass wir uns getroffen haben, dann –»
    »Leg auf, Laci«, sagte er.
    »– dann kommen sie vielleicht auf die Idee, dass du was damit zu tun hast, du weißt schon, damit du mit mir zusammen sein kannst und –«
    Er knallte den Hörer auf die Gabel. Wenn sein Telefon tatsächlich abgehört wurde, dann war das Kind schon im Brunnen. Dann wusste die Polizei jetzt, dass er ein Verhältnis hatte. Dann wussten sie jetzt, dass er und Laci sich schon seit Wochen trafen.
    Schlecht. Ganz schlecht.
    Nach Lacis Anruf war Garfield völlig mit den Nerven runter. Er versuchte, sich selbst zu beruhigen. Er würde das durchstehen. Er musste nur einen klaren Kopf bewahren. Selbst wenn die Polizei dahinterkam, dass er mit Laci schlief, hieß das noch lange nicht, dass er etwas mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun hatte.
    Sie hatten keine Leiche gefunden. Und ihren Wagen auch nicht.
    Und er war sich so sicher, wie man nur sein konnte, dass sie weder das eine noch das andere je finden würden.
    »Reiß dich zusammen«, ermahnte er sich.
    Es klingelte an der Tür.
    Herrgott,
dachte er. Er wurde tatsächlich abgehört, und jetzt wollten sie alles über ihn und Laci wissen und ob er seine Frau umgebracht hatte, um frei zu sein für diese andere Frau.
    Er holte ein paarmal tief Luft, sammelte sich und ging mit festen Schritten durchs Wohnzimmer zur Haustür. Als Erstes zog er den Vorhang zur Seite, um zu sehen, wer es war.
    Eine Frau.
    Eine Frau mit grünen Papageienohrringen.
    Er hielt es für nicht sehr wahrscheinlich, dass die Polizei jemanden beschäftigte, der grüne Papageienohrringe trug.

[home]
    Sieben
    K eisha Ceylon hatte ihr »Ich spüre Ihren Schmerz«-Lächeln schon parat. Auf den ersten Eindruck kam es an. Man musste aufrichtig wirken, durfte es mit dem Lächeln nicht übertreiben. Man musste es zurückhalten. Bloß keine Zähne zeigen. Kein stupides Lächeln à la
Frauen von Stepford
oder Zeugen Jehovas, das aussah wie aufgemalt. Man musste sich ganz auf die Situation einlassen. Musste daran
glauben,
dass man eine Mission zu erfüllen hatte. Und eine Miene machen, die sagte: Ich will nicht stören, am liebsten wäre ich gar nicht da. Überall, nur nicht hier.
    Doch es war keine Frage des
Wollens
. Man hatte keine Wahl.
    Sie sah, wie der Mann den Vorhang zur Seite schob, um zu sehen, wer da war. Und sie lächelte. Ein beinahe entschuldigendes Lächeln.
    Dann ging die Tür auf.
    »Ja?«, sagte er.
    »Mr. Garfield?«
    »Sind Sie vom Fernsehen? Die Pressekonferenz war gestern. Im Augenblick habe ich weiter nichts zu sagen.« Er beugte sich aus der Tür, um an ihr vorbei auf die Straße zu blicken. Vielleicht rechnete er damit, dort einen Übertragungswagen zu sehen.
    »Ich bin nicht vom Fernsehen, Mr. Garfield.«
    »Was wollen Sie dann?«
    »Ich möchte Ihnen meine Karte geben«, sagte sie und reichte sie ihm.
    Er warf einen Blick darauf.
     
    KEISHA CEYLON
    Seelenfinderin
     
    stand da. Darunter eine Internetadresse und eine Telefonnummer. »Was soll das denn?«, fragte er.
    »Ich bin Keisha, wie’s hier steht, und es tut mir unendlich leid, Sie ausgerechnet jetzt zu belästigen. Aber wenn Sie mir freundlicherweise nur eine Minute gewähren … Ich glaube, Sie werden es nicht bereuen.«
    Er sah noch einmal auf die Karte. »Seelenfinderin. Klingt mir nach totalem Schwachsinn.«
    Keisha lächelte. Nicht zu viel. Legte eine leise Wehmut hinein. »Das begegnet mir oft. Vielleicht wäre es besser, nur ›Beraterin‹ hinzuschreiben, aber das trifft es nicht.

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